Stillleben
von Reinhard von Tümpling

 

Den geschilderten Unterricht habe ich in der 9. Jahrgangsstufe im Schuljahr 2005-2006 gehalten.

Zu den verwendeten Schülerarbeiten in dieser Datei liegen die Erlaubnisscheine der Erziehungsberechtigten zur Veröffentlichung real vor.

 

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Ein Stillleben ist die Darstellung von stillen Gegenständen, die vom Maler bewußt in einer nach ästhetischen Gesichtspunkten komponierten Anordnung aufgebaut sind. Objekte eines Stilllebens können ausnahmslos alle Gegenstände sein, vorzugsweise Blumen, Früchte, Wildbret, Geflügel, Fische, Delikatessen, Gerätschaften, Kupfergeschirr, Bücher, Musikinstrumente, Gläser, Silberwaren und auch altes Gerümpel.


Bild: Stillleben_3.jpg:
der Einstieg und die Hinleitung zum nächsten Themenbereich, das Tafelbild zum Hinfügen der Zubehörteile

 


Bild: Stillleben_5.jpg: zwei Schülerabeiten

 


Bild: Stillleben_6.jpg: ebenso

Bild: Stillleben_7.jpg: ebenso mit ansatzweiser Schattenbildung

 


Bild: Stillleben_8.jpg: wegen eines geplanten Projektes begann ich mit meinen Mitteln zu spielen, mehr mit Auflicht

Bild: Stillleben_9.jpg: mit stärkerer Schattenbildung und mit mehr stärkeren Lichtreflexen

Bild: moor_34.jpg: konkret bezogene Übungen zum Stillleben. Ich habe Dekorationsmaterial aus der Gärtnerei verwendet, gezielt nach differenziertem Material gesucht, es angeordnet und mit dem Auflicht, Seitenlicht und der Komposition gespielt


Bild: moor_35.jpg: etwas abgedunkelt und enger gruppiert

Bild: moor_36.jpg:

Bild: moor_37.jpg: nur mit Blitz als Lichtschwerpunkt

Bild: moor_38.jpg: mit stärkerem Seitenlicht

Bild: Stillleben_11.jpg: die Weiterführung zum nächsten Themenbereich

Bild: Stillleben_12.jpg: etwas mehr Abstand zum Objekt

Bild: Stillleben_13.jpg: ...und mehr Bildfülle

Bild: Stillleben_14.jpg: mehr schräg und hinführend

Bild: Stillleben_15.jpg: etwas zerlaufender als zum Thema hinführend

Bild: Stillleben_16.jpg: mit einem ganz anderen Akzent, der sich in seiner Wichtigkeit in den Vordergrund schob. Dies Bild entstammt einer lose zusammengebundenden Weihnachtsaktion...zugunsten eines Segenswunsches

Bild: Stillleben_17.jpg: der Aspekt zuhause, auch ein Stillleben

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Ich nehme zur weiteren Verwendung den Text aus Digitale Bibliothek Band 22, Kindlers Malerei-Lexikon, und kürze ihn aufs Wesentliche.


Stillleben

Ein Stillleben ist die Darstellung von »stillen«, d. h. regungslosen Gegenständen, die aus ihrer natürlichen Umgebung entfernt, ihrem Zweck entrückt, ihrer eigentlichen Sphäre beraubt und vom Maler bewußt in einer nach ästhetischen Gesichtspunkten komponierten Anordnung aufgebaut sind. Objekt eines Stillebens können ausnahmslos alle Gegenstände sein, vorzugsweise Blumen, Früchte, Wildbret, Geflügel, Fische, Delikatessen, Gerätschaften, Kupfergeschirr, Bücher, Musikinstrumente, Gläser, Silberwaren und auch altes Gerümpel. Nach dem Vorwiegen bestimmter Gegenstände unterscheidet man Blumen- und Früchtestilleben, Küchen-, Jagd- und Marktstücke oder ähnliches. Die Gegenwart lebendiger Wesen, eines Menschen, der sich der Gegenstände bedient, eines Hundes, der die Jagdbeute beschnuppert, oder von Insekten, die auf den Blumen und Früchten herumkriechen, ist nicht ausgeschlossen, bleibt aber für den Bildgehalt meist unwesentlich.

Die später auch im Deutschen übernommene Bezeichnung stilleven ist zuerst nachweisbar in dem 1718-1721 erschienenen Werk »Groote schaubourgh der nederlandsche konstschilders en schilderessen« des niederländischen Malers und Kunsthistorikers Arnold Houbraken (1660 Dordrecht - 1719 Amsterdam). Der französische Terminus nature morte - im Italienischen natura morta - kam gegen Ende des 18. Jh.s auf; er ist jedoch weniger zutreffend, da es gerade darum geht, auch den scheinbar toten Gegenständen innewohnende geheime Leben in der Wiedergabe sichtbar werden zu lassen.

Seit ihren Anfängen bis ins späte Mittelalter war neben den gesprochenen Worten die Malerei das wichtigste Medium, den breiten des Lesens unkundigen Massen das Heilsgeschehen und die Heilstatsachen der Bibel, nur ausnahmsweise auch profangeschichtliche Ereignisse anschaulich und faßbar zu machen. Die Betonung lag auf der Bildaussage. Das führte zwangsläufig zu einer höheren Bewertung des Inhaltlichen, die noch lange nachdem die Maler selbst die Freude an der Wiedergabe von Dingen und am rein Malerischen entdeckt hatten, nachwirkte und bis in die neueste Zeit hinein häufig zu einer ungerechtfertigten Geringerbewertung des Stillebens gegenüber mehr inhaltsträchtigen Bildgattungen Anlaß gegeben hat. Tatsächlich jedoch steht die Wiedergabe eines einzelnen Gegenstandes am Beginn allen bildnerischen Bemühens; sie ist Grundlage allen Studiums, und es ist folgerichtig, daß sie sich mit der über die reine Aussage hinauswachsenden Bewertung des Formalen, des Kompositionellen und des Malerischen schließlich zum vollgültigen Tafelbild entwickeln mußte, zu einer selbständigen Bildgattung, in der wegen des geringen gegenständlichen Interesses wie in kaum einer anderen virtuoses Können und letzte Beherrschung der technischen Mittel zur Geltung kommen.

Erst etwa zwei Jahrhunderte später beginnt auch bei den europäischen Meistern die Freude an der realistischen Wiedergabe von leblosen Dingen, als Beiwerk zur Bildaussage, wachzuwerden: so in der stillebenartigen Komposition von Büchern und Schachteln oberhalb der Propheten Jesajas und Jeremias auf den Seitenflügeln des Verkündigungsaltars von Aix oder in den Büchern und Gerätscharten des Hl. Hieronymus im Gehäus des Jan van Eyck. In der rechten unteren Ecke des Bildes Maria mit Kind von Mathis Neithart Grünewald ist der Blumenstrauß bereits ein echtes Blumenstilleben mit einer vom Bildinhalt völlig unabhängigen Eigenwirkung. Die Fülle ähnlicher Beispiele läßt darauf schließen, daß es zu dieser Zeit das Stilleben als selbständige Bildgattung bereits gegeben hat. Das früheste als Stilleben komponierte Tafelbild ist das Jagdstilleben von Jacopo de' Barbari aus dem Jahr 1504 in der Alten Pinakothek zu München.

Im Verlauf des 16. Jh.s tritt dann vor allem in den Niederlanden, entsprechend der dem Lande geschenkten vegetativen Üppigkeit und der seinen Bewohnern eigenen Freude an Blumen, an gutem und reichlichem Essen, an prunkvollem Gerät und an Antiquitäten, das Stilleben stärker in den Vordergrund. Zuerst bei Pieter Aertsen, der in dem Bilde Christus bei Maria und Martha das biblische Thema völlig zur Hintergrundstaffage werden läßt gegenüber den großen Stilleben, die er in venezianischem Farbenrausch über den ganzen Vordergrund ausbreitet.

In der von Lebensfülle strotzenden Köchin mit dem sorgfältig durchgestalteten Beiwerk aus Garten und Vorratskammer gibt Aertsen auch das erste Beispiel der Sondergattung des »Küchenstückes«. Fast zur gleichen Zeit entwickelt der Italiener Giuseppe Arcimboldi am Prager Kaiserhof mit skurrilem Humor seine aus Blumen, Gemüsen und Büchern zusammengesetzten Porträts, die - abseits von eigentlichen Stilleben - doch auf die weitere Entwicklung des Blumenstückes nicht ohne Einfluß geblieben sind. In Spanien malt Fray Juan Sánchez Cotán seine meist nur einzelne Früchte und Gemüse, wie in

Stilleben Apfel, Kohlkopf und Melone, wiedergebenden, in der Ausgewogenheit der Komposition bestechenden berühmten »bodegones«.

Man bevorzugt im reichen Haarlem Stilleben mit üppig gedeckten Tischen, mit kostbarem Tafelgeschirr und goldenen oder silbernen Pokalen, Schüsseln und anderem Prunkgerät, wie es in den Werkstätten der dortigen Goldschmiede Lutma und van Vianen getrieben wurde. In der Universitätsstadt Leiden entstehen Stilleben mit Büchern, Schweinslederfolianten, mit Bierkrügen und Tabakspfeifen, auch Vanitas-Stilleben mit Licht, Totenschädel und Stundenglas als Symbolen der Vergänglichkeit. Im Haag mit dem nahegelegenen Fischmarkt von Scheveningen dominieren Motive mit toten Fischen, Tafeln mit Austern oder Hummern, und Utrecht ist der Mittelpunkt der Blumen- und Früchtemalerei.

Die Zahl der Meister ist unüberschaubar. Das Blumenstilleben wird entwickelt von den Niederländern Jan Bruegel d. Ä., auch Sammet- oder Blumenbruegel genannt, wie in Blumenstrauß, und von Daniel Seghers, in dessen Marmorrelief mit spielendem Bacchusknaben Peter Paul Rubens die Figuren hineinmalt. Derartige Hilfeleistungen sind nicht selten: So stammen die Blüten in Rubens' Madonna im Blumenkranz zu den schönsten in diesem Genre. Sie wurden bereits zu seinen Lebzeiten mit bis zu 1000 Gulden bezahlt.

Van Huysum, als einer der letzten großen Niederländer in diesem Genre, stirbt 1749; um volle vier Jahrzehnte überlebt ihn der Franzose Jean-Baptiste Siméon Chardin, der lange unbeachtet bleibt und, erst durch die Forschungen der Brüder Goncourt einer halben Vergessenheit entrissen, heute als einer der größten Künstler seines Jahrhunderts, als einer der hervorragendsten Koloristen und einer der bedeutendsten Meister des Stillebens geschätzt wird. Kaum ein zweiter Maler hat wie er das geheime, den scheinbar toten Gegenständen innewohnende Leben erspürt und sichtbar zu machen verstanden. Er liebt einfache, gelegentlich, wie in Attribute der Künste, gedanklich hintergründige Motive, die er mit einzigartigem Raffinement zu beseelen weiß. In der Klarheit des Bildaufbaus, im Nuancenreichtum seines Kolorits und in den feinen Abstufungen des Lichtes wächst er weit über seine holländischen Vorbilder hinaus und wird, ohne mit der Tradition zu brechen oder bewußt das Neuartige zu suchen, zum Vorläufer des Impressionismus und der modernen Malerei.

Tatsächlich hat es im Bemühen um eine absolut naturgetreue, gleichsam körperlich greifbare Wiedergabe der Gegenstände einen Höhepunkt erreicht, über den hinaus es in der illusionistischen Malerei keine Steigerung mehr gibt.

Erst als der Impressionismus einer neuen Sehweise zum Durchbruch verhilft und allem malerischen Bemühen neue Wertmaßstäbe setzt, wobei auch der bescheidenste visuelle Eindruck ausreichender Anlaß einer farbigen Analyse wird, gewinnt das Stilleben als unausschöpfbares Thema auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten eine von Grund auf gewandelte Bedeutung. Es rückt, von allen Meistern der Moderne vorzugsweise gepflegt, mit an die erste Stelle unter den Gattungen der Malerei, und ein Jahrhundert nach Chardin kann Paul Cézanne dem Kritiker Gustave Geffroy als seinen heimlichen Ehrgeiz verkünden: »Mit einem Apfel will ich Paris in Erstaunen versetzen!«

Der Wandel kündigt sich bereits in dem großen Stilleben mit Fasan und Hummern an, das Delacroix 1826 für den General du Coétlosquet malt, denn hier geht es nicht mehr um eine naturgetreue Wiedergabe der gemalten Gegenstände, sondern ausschließlich um die leuchtend roten Akzente der Hummern auf schottischer Decke vor dem in Blau gehaltenen Landschaftshintergrund; es geht um den Stimmklang der Farben und die neuartige Technik, die denn auch von der Kritik zunächst unverstanden als »von weitem von dekorativer Wirkung, aus der Nähe jedoch farbloses Geschmiere« bezeichnet wird.

Diese Entwicklung setzt sich fort über Adolf von Menzel, der, unabhängig von seinen Historienbildern, dem malerischen Reiz und der Poesie des scheinbar Bedeutungslosen nachspürt, gleichsam den neuen Naturalismus vorwegnehmend, in welchem bald danach der Impressionismus nicht mehr die Struktur des Gegenstandes, vielmehr seine Erscheinung im Augenblick des Gemaltwerdens zu fixieren sucht und zugleich mit der Forderung, das Sujet allein nach seiner malerischen Qualität zu wählen, das Stilleben endgültig in den Rang hoher Kunst erhebt.

Gegen Ende des 19. Jh.s wird das Stilleben vor allem gepflegt von Paul Cézanne (Stilleben mit Zwiebeln, von Paul Gauguin (Vögel auf Tahiti) und im Cloisonnismus von Émile Bernard (Stilleben mit Topf und Äpfeln); in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh.s wird es zu einem Hauptthema aller Richtungen der noch gegenständlichen Malerei. Es hat impressionistische Züge bei Pierre Bonnard, bei den Deutschen Max Liebermann, Max Slevogt, Lesser Ury und Lovis Corinth, es ist, von Cézanne herkommend, eigenständig weitergeführt bei Paula Modersohn-Becker in ihrem Melonenstilleben; es ist expressionistisch bei Alexej Jawlensky (Stilleben mit Vase und Krug) und Oskar Moll; es ist kubistisch bei Georges Braque (Stilleben mit Trauben) und bei Juan Gris (Das Frühstück; es ist Neue Sachlichkeit bei Alexander Kanoldt (Stilleben mit Gitarre); es ist im letzten Grunde auch Vorwurf für die Assemblagen von Kurt Schwitters (Das Kirschbild), und es ist fast ausschließliches Thema in den malerischen Meditationen des Bolognesers Giorgio Morandi (Stilleben).

Geradezu ins Unüberschaubare wächst im gleichen Zeitraum die Produktion von Blumenbildern, zumal im Gefolge der Sonnenblumen Vincent van Goghs; diese Sondergattung des Stillebens steigert sich nun zu einer expressiven Farbglut und gewinnt vor allem in der deutschen Moderne wieder an Beliebtheit: so bei Ernst Wilhelm Nay (Akkord in Rot und Blau), Emil Nolde (Blumen und Wolken, Hans Purrmann, Christian Rohlfs (Rote Tulpen), Karl Schmidt-Rottluff


Zur Abgrenzung habe ich den Genre-Begriff mit einkopiert und nachbearbeitet.

Genremalerei

(frz. genre, Art, Gattung, Spielart)

Erst verhältnismäßig spät, zu Beginn des 15. Jh.s, erscheint in der Geschichte der abendländischen Malerei neben der bis dahin vorherrschenden Kunst der Aussage als neue selbständige Gattung die Kunst der reinen Anschauung - die Genremalerei. Sie entsteht folgerichtig aus den damals überall im geistigen Raum sichtbar werdenden reformatorischen Unruhen, unter deren Einfluß sich auch die Malerei von metaphysischen Bezügen zu befreien beginnt. Gleichzeitig mit dem revolutionären Bestreben, die Idealgestalten der Bibel, der Historie und der Mythologie zu vermenschlichen, erweitert die Genremalerei die überkommenen Themenkreise und erobert der künstlerischen Darstellung nach und nach alle Bereiche des irdischen Daseins. Sie setzt an die Stelle der Predigt eine natürliche Sprache, hält sich frei von Pose und Pathos und ist im Gegensatz zur illustrativen Malerei ohne Voraussetzung für jedermann verständlich.

Thema und Gegenstand der Genremalerei ist das allgemein Menschliche, das sie in typischen Ausschnitten aus dem Alltagsleben zu erfassen und festzuhalten sucht. Ohne jede Voreingenommenheit betrachtet sie den Menschen als Naturwesen. Sie belauscht ihn in seinen Bedürfnissen und seinem Wirkungskreis, in seiner Arbeit und seinem geselligen Umgang und schildert ihn in seiner Verhaltensweise und seinem Brauchtum als den Vertreter eines bestimmten Standes. Man unterscheidet dementsprechend bäuerliches, bürgerliches und höfisches Genre und erhält in der Genremalerei, da sie das Typische fixiert, ein so getreues Spiegelbild der menschlichen Sitten, daß Woermann den Vorschlag machte, den Begriff »Genremalerei« überhaupt durch »Sittenmalerei« zu ersetzen.

Nach Max J. Friedländers klassischer Definition der drei großen Gattungen der Malerei ist die religiöse Malerei »über sich hinausschauend«, die historische Malerei »zurückschauend« und die Genremalerei »nur schauend«. Diese hat es leichter in der Wahl ihrer Motive, weil ihr alle Formen des Daseins, sofern sie nur malerisch sind, als Vorwurf willkommen und gleichrangig erscheinen, aber wiederum auch schwieriger, »weil die tragende Kraft aus dem Thema fehlt«


Ein weiterer Begriff zur Abgrenzung.

(nachbearbeitet aus: Sachwörterbuch der Weltmalerei: Trompe-l'oil, S. 8. Digitale Bibliothek Band 22: Kindlers Malerei-Lexikon, S. 12530)

Trompe-l'oil nennt man den künstlerischen Versuch, eine das Auge täuschende Wirklichkeitsnähe zu erreichen.

Jeder Realismus sucht eine Wirklichkeitsnähe, die letztlich auf Augentäuschung beruht, aber nicht Anlaß und Ziel der Darstellung ist, sondern den dargestellten Inhalt erkennbar und glaubwürdig machen soll, während im Trompe-l'oil-Bild der Inhalt der Darstellung einzig so konzipiert ist, daß er die beabsichtigte Augentäuschung herbeiführt.

Die gewollte Augentäuschung ist ein treibendes Motiv zur Vervollkommnung der Perspektive, zunächst mit Hilfe von Scheinarchitekturen und in der Wandmalerei.

Die Augentäuschungseffekte gehen auch meist von der Architektur, also der perspektivischen Täuschung bei relativ großen Dimensionen aus oder bleiben auf kleine, das Bild nicht beherrschende Details wie Schmuck (besonders Perlen), Geschirr, Speisen und Früchte, auf Tischen liegende Objekte oder Spiegel und Spiegelwirkungen beschränkt.

Sein Täuschungseffekt ist an drei Voraussetzungen gebunden: eine der Erfahrung vertraute Dinglichkeit; eine eindeutig definierte Raumsituation, die auch bei wechselndem Standort des Betrachters nicht aufgehoben und nur durch die Zentralperspektive gesichert ist, wobei sich im Idealfall bei der Betrachtung aus einer bestimmten Distanz eine nahezu stereometrische Wirkung ergeben kann; schließlich eine ebenso eindeutige Beleuchtungsrichtung und »Lichtperspektive«.

Die erste Bedingung läßt sich steigern durch Einbeziehung vertrauter Abnormitäten, etwa des Wurmlochs im Holz, des Schorfs auf der Apfelschale; des Defekten, etwa zerbrochener Gläser; oder des Wertlosen, Unwichtigen, ja Absurden - alles dessen also, wofür künstlerischer Aufwand vertan scheint und nicht zu erwarten ist.

Das Trompe-l'oil-Bild hat sich zuletzt tatsächlich auf diese äußerste Position zurückgezogen und hier, auf dem Gipfel des psychologischen Kalküls, seine Glanzzeit erlebt, doch setzte diese Möglichkeit eine sehr veränderte Kunstauffassung voraus. Am Beginn seiner Geschichte ist es noch auf ein Stilleben angewiesen. Schon das erste selbständige Stilleben könnte man als reine Trickmalerei bezeichnen.

Tatsächlich ist damit nicht nur ein bleibender Typ des Jagdstillebens (die hängende Beute) geprägt, sondern auch ein Trompe-l'oil-Typ, der über Jahrhunderte wiederkehrt; auch holländische Blumen- und Früchtestilleben des 17./18. Jh.s, ebenso Küchenstücke, bringen eine Vielzahl von Trompe-l'oil-Effekten.

Den Weg zum typischen Trompe-l'oil-Bild des 18. Jh.s bezeichnet jedoch ein anderer, kaum weniger verbreiteter Stilllebentyp des Barock: die Vanitas (Memento mori) mit Totenschädeln, Kerzen, Studierstuben-Inventar samt Büchern, Federn und Globen, Manuskripten und Notizzetteln, die deutlich an die Herkunft aus dem Autoren- und Gelehrtenbildnis erinnern.

Aus diesem Darstellungstyp wird später das Quodlibet (lat., was beliebt) entwickelt, eine Anhäufung beliebigen Kleinkrams, vor allem aber zufällig zusammengeratener Buch- oder Zeitungsseiten, Stiche, Spielkarten, Briefe und Briefkuverts, Billets usw., die teils liegend, teils an einer Steckwand (deren Holzmaserung genauestens imitiert wird) befestigt sind und besonders in England als letter-rag (oder card-rack, Briefhalter) ein beliebtes Thema wurden.

Das Dargestellte scheint unbedeutend, die Komposition sinnlos und der Versuch oft nur als Scherz oder aus dem Stolz auf das bewiesene Können erklärbar.

Wenn aber Banknoten, zerrissene Einladungen, ausgefüllte Formulare oder Kupferstiche nicht etwa als Collage arrangiert, sondern mühsam mit Tusche und Wasserfarben imitiert und als darstellungswürdig empfunden werden, hebt sich die Kunst als eine ästhetische Wirklichkeit auf, um in die triviale Wirklichkeit des Environment (Umwelt) zurückzukehren.

Die Richtung geht von der Kunst in die Wirklichkeit oder der Wirklichkeit in die Kunst, im Neuen Realismus der Pop-art, oder mit Montagen von Ready-mades (Industrieverpackungen, Zeitungsseiten, Autotypien, Banknoten)

Ähnlicher Trompe-l'oil-Techniken bedienten sich auch Braque und Picasso, besonders aber auch Dali und die Hausner, die den Wirklichkeitsanspruch des Irrrealen und der Traumwelt häufig durch äußersten Detailrealismus sichern.

Sie versuchen damit den Inhalt der Bilder glaubwürdig zu machen und ihnen die Faszination des greifbar Realen zu verschaffen


Nachbemerkung

Ich habe das Stillleben, die Augentäuschungs- und lllusionsmalerei und die Genremalerei einkopiert und nachgearbeitet, um den Sinn der benutzten Inhalte in ihrer Bedeutungswichtigkeit abschätzen zu können. Seit dem Barock und seiner ausgefeilten Symbolsprache sind im komponierten Stillleben oft andere Inhalte gemeint.

Die benutzte Alltagssprache ist oft vielfältig weitschweifig und mehrfach und meint erheblich mehr als sie hörbar und sichtbar hinterlässt. Voller Lebenslust behauptet sich der Dialekt als manchmal eigenständiges Ausdrucksmittel besitzergeifend und ausgrenzend im sozialen Kontext und sogar im feinsten Zungenschlag auch gerade gegenüber der Globalisierung.

Es scheint sinnvoll, beim lesenden Umgang mit den bedeuteten Teilen des Stilllebens auch den Kerngehalt der sichtbaren Dinge mit einzubeziehen in die Kompositionsbetrachtung. Auch die Anordnung spielt durch die Wirkung der Tiefenstaffelung eine bedeutete Rolle, das Stillleben kann nacheinander „durchgangen“ werden und wird somit bei vorhandener räumlicher Anordnung auch als Zeitgestalt betrachtet werden können. Das Stillleben ist eine Komposition von Bildteilen.

Auch der Spielfilm bedient sich des feststehenden Wirkung des Stilllebens und des Genre-Zitates.

„M*A*S*H“ von Robert Altman benutzt zeitlich überlappenden Dialoge und Szenenverflechtungen und führt das Auge des Betrachters aktiv von dynamischen Szenen bis hin zum ruhig stehenden flächigen szenischen Bildzitat von Leonardos Abendmahl. Dasselbe macht passiv das Stilleben in einem erweiterten Sinn auch, wenn es nicht beantwortbare Fragen stellt.

Ein Stillleben ist auch eine kurzdauernde Aussage zu einer Lebenssituation.

Ich habe als Nachtrag noch den besonderen Aspekt der „Stellprobe“ als Skizze gemacht, die


Bild: Stellprobe _1.jpg: ebenso eine Komposition


Bild: Stillleben_18.jpg: auch dies ist eine Komposition

 

 


Bild: Stillleben_19.jpg: der Ausblick

Reinhard v.Tümpling Februar 2006