Eine Reise zu Jan Vermeer
von Reinhard von Tümpling

 


Bild: Delft_1.jpg

Im April 2011 beschloss ich, eine Reise nach Delft zum Museum von Jan Vermeer zu machen. Die Fahrt schien mir nicht belastend zu sein, -eher war sie ein lustvolles Vergnügen quer durch die norddeutsche Tiefebene, über Hamburg, Bremen und in die Niederlande hinein, bis nach Delft.

Delft ist bekannt durch seine Porzellanmalerei in Blau.

Jan Vermeer wurde 1632 geboren und er wuchs im Arbeits-Klima der Manufakturen des reich gewordenen Hollands auf.

1660 zog Vermeer mit seiner Frau in den Haushalt seiner Schwiegermutter am Oude Langendijk. Mit Catharina Bolnes hatte er 15 Kinder, von denen vier bereits im frühen Kindesalter starben. Jan Vermeer scheint zu dieser Zeit relativ viel Geld verdient zu haben, weil er seine Kinder ohne Probleme ernähren konnte. Da er durchschnittlich nur zwei Bilder pro Jahr malte, muss er noch weitere Einkommensquellen gehabt haben. Bekannt ist, dass er seine Mutter beim Führen der Schenke Mechelen am Delfter Großen Markt unterstützte, die diese nach dem Tod ihres Mannes geerbt hatte und in der Vermeer aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen Kunsthandel betrieb, eine verbreitete Nebentätigkeit niederländischer Maler des 17. Jahrhunderts. In den Jahren 1662 und 1663 sowie 1670 und 1671 war Vermeer Dekan der St.-Lukas-Gilde. Da im 17. Jahrhundert jeder Handwerker und Künstler zum Ausüben seines Berufes Mitglied einer Gilde sein musste und diese die Regeln für den Beruf festlegte, war die Position des Dekans eine einflussreiche und belegt, dass Jan Vermeer eine angesehene Persönlichkeit in Delft war.

Bereits zu seinen Lebzeiten konnte Jan Vermeer gute Preise für seine Bilder erzielen (Zit. Wiki)

http://de.wikipedia.org/wiki/Delfter_Porzellan

Seit dem 13. Jahrhundert gelangte Porzellan nach Europa. Die Einfuhr erfolgte ab 1516 vermehrt über Macao und Nagasaki nach Lissabon. Im 17. Jahrhundert wurden aber die Niederlande beim Porzellanimport führend, insbesondere durch die Niederländische-Ostindien-Kompagnie. In Europa wurden Versuche unternommen, Chinesisches Porzellan selbst herzustellen. In Faenza, das der Republik Venedig angehörte, wurde im 16. Jahrhundert das Bianchi di Faenza aus Keramik gefertigt. Es wurde mit einer Zinnglasur überzogen. Deshalb waren die Fayenceprodukte dickwandiger als Porzellan. Bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten Manufakturen in Amsterdam, Haarlem und Middelburg mehrfarbige Tonwaren hergestellt. Dieses Kunsthandwerk ist ursprünglich von den italienischen Töpfern übernommen worden. Die erste Manufaktur in Delft wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts gegründet.

 

Die Delfter Maler bringen mit Pinseln aus Marder- und Eichhörnchenhaaren das Dekor an. Die Bemalungen bestehen häufig aus traditionellen Motiven wie Windmühlen oder Schiffen, manchmal werden aber auch anspruchsvolle Gemälde als Vorlage genommen oder eigenständige Motive und Ornamente entwickelt. Für das Delfter Blau wird Kobaltoxid verwendet, das beim Auftragen zunächst schwarz wirkt. Die verschiedenen Blautöne werden durch das Hinzugeben von mehr oder weniger Wasser erzeugt. (Zit. Wiki)

 

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Bild: Delft_2_2011.jpg
: die Vorfreude


Bild: Delft_3_2011.jpg
: der Blick auf den Marktplatz von Delft unter google.maps.de; man kann als Schwerpunkt die Nieuwe Kerk sehr gut erkennen und das Rathaus am anderen Ende des Platzes. Das Hotel ist unter A zu finden und unter B das Vermeer Centrum, das sich sehr gut in die kleinräumige Architektur einfügt. Die sehr schmalen nachbarocken Häuser hier sind durchwegs zwei- bis dreigeschossig und ein jedes hat eine individuell gefertigte Fassade.

 

 


Bild: Delft_33.jpg
:
ein Beipiel für zwei Hauseingänge...

Bild: Delft_Fahrrad.jpg
:
ein Beispiel für die recht persönlichen Fahrräder Hollands....

 

Einchecken ins Hotel, ein kleiner hübsch gstalteter Hinterhof,
ein Nebengebäude als Hotelzimmer, das Bad etwas veraltet,
aber mit wunderschönen schwarz-weißen diagonalen Fliesen gekachelt

 


Bild: Delft_9.jpg
: nachmittags die ersten Schritte an der träge daneben unmerklich fließenden Gracht vorbei

Bild: Delft_10.jpg
: ein kleines Restaurant hatte seine Flächen auf einem Prahm etwas vergrößert, aber es war noch keine warme Sommerszeit

 


Bild_ Delft_11.jpg
: der umgekehrte Blick nach Nordosten zeigt zugleich ein wesentliches Stück der Lebensart, überall stehen Fahrräder und Autos neben den Bäumen am Rand des fest gemauerten Wasserlaufes

 

Anderntags....

 


Bild: Delft_12.jpg
: in einer der besten Touristen- und Einkaufslagen der Stadt neben der Nieuwe Kerk ein besonderer Augenfänger: aus Kacheln zusammen gesetztes Bild als Firmenschild; ein Blick in den Laden, der zugleich auch eine Fabrikationsstätte ist, zeigt die lieblichsten Gegenstände, die man sich zuhause in Glasvitrinen stellen kann. Konzentrierte Handarbeit des Porzellanmalens kann recht teuer sein und Gebrauchskeramik war Delfter Porzellan bestimmt zu keiner Zeit.


Bild: Tür_73_Delft
: der Eingang zum Museum von Vermeer; man hat geschickt zwei bis drei Hausbreiten genommen, um als Ganzansicht die durchlaufende Häuserreihe für diesen Besuchermittelpunkt nicht zu stören. Im Inneren des Hauses empfängt man den Besucher an einem großen Tresen, links mit einer kleinen rustikalen Cafeteria, in der Mitte befindet sich die Kasse und daneben ist ein reich bestückter Devotionalienhandel untergebracht, mit Porzellan und Büchern.

 

Wir steigen die Treppe hinauf in das Obergeschoss....

 


Bild: Delft_17.jpg
: dieser Schaukasten zeigt das Anordnen der Möbel in einem Zimmer, anscheinend ein gestanztes Pappenspielzeug, die Suche nach dem Fluchtpunkt wird zwangsweise aufgedrängt, ähnlich wie bei den Kindertheater-Dekorationen des Biedermeiers, bei dem man Staffagen seitlich in die Spielbühne hinein steckte, um dem Illusionsraum die anschauliche Tiefe zu geben. Das Problem der Reduzierung einer dreidimensionalen Staffage auf ein flächiges Bild wird angerissen.

Anschauliche Bildtafeln sollen auf dem Rundgang die Zusammenhänge zeigen; hier gilt es, den relativen Reichtum Delfts als Handels- und Handwerksstadt zu verstehen gegenüber der überwundenen Renaissance und Jan Vermeer als Person in seiner Zeit zu begreifen.


Bild: Delft_21.jpg
: „die unerreichbare Liebe“, das Sehnsuchtsmotiv der späteren deutschen und stillen Romantik war bereits bekannt und man nahm im Zitat von Vermeers Bildern die Eingrenzung ins bürgerlichen Zimmer vor, wie er es selbst schilderte, was sich eher dem Kenner erschließt. Vermeer hat stille Gesten gemalt, nicht aufdringlich, verhalten, in Beziehung gesetzt...

Vermeers „Bordellzimmer“ ist als Werk noch aus jungen Jahren von unerschütterlicher und Flächen füllender Grobheit, die Schilderung der „Liebesbriefe“ und die Schilderungen der Hausmusik am Spinett hingegen von großer Einfühlung. Er kannte bereits die bezaubernde Wirkung von Hausmusik.

 


Bild: Delft_34_Vermeer_4_Film
: das Bildzitat des Films „Das Mädchen mit den Perlenohrringen“ zur Veranschaulichung der ständischen sozialen Ordnung mit der Szene-Schilderung des reichen Kunsthändlers, der sehr wohl weiss, wie man eine beglückende Situation erzeugt und umsetzt. Vermeers eigene reale Rolle als Kunsthändler wird leider im Film nicht belegt.

 


Bild: Delft_22.jpg
: kleine konzentrierte Begleittafeln an den Wänden des Museums helfen den Zusammenhang herzustellen und den Augenblick zu lenken.

Die Schilderung von Vermeers Lichtauffassung wird mit verschiedenen großen Tafeln gemacht, dass ein Gegenstand durchs wechselnde Tageslicht nämlich viele Nuancen besitzen kann.



Bild: Delft_23.jpg
: das zusammengestellte Zitat von Vermeers Raumecke, in die hinein er seine Figuren malte; eine recht stille Schulklasse besuchte gerade zugleich das Obergeschoss..... sehr geschickt gemacht zeigt gerade der angerissene und real aufgeschnittene Stuhl den Übergang von der Wirklichkeit in die Bildillusion... das mit der Gardine gedämpfte Tageslicht und der schwere eingrenzende Samtvorhang... erzwingen dem nachfühlenden Betrachter die berühmte S-Kurve beim gedanklichen Durchschreiten des Bildes. Die Gardine und der Vorhang kann aber auch die Ehrung für den früh verstorbenen Vater sein, der nicht nur Wirt, sondern auch Seidenweber war.

 

Bild: Delft_24.jpg: die Schilderung durch Gegenstände, wie vermalbare Farbe aus Pigmenten und Bindemitteln entsteht. Im Film, bzw. im Trailer zu den „Perlenohrringen“ wird als Stimmungsvorspann der Besuch bei einem Farbenverkäufer geschildert, was natürlich die Museumspädagogik im Haus mit wenig Platz nur schwer leisten kann.

 

 


Bild: Delft_25.jpg
: noch einmal

 


Bild: Delft_26.jpg
: der nachdenkliche Blick aus dem Fenster mit filigranen Blei-Stegen im Erdgeschoss


Bild: Delft_20.jpg
der Blick nach Nordosten wird begrenzt durch die dunkle und hohe Nieuwe Kerk, man begreift aber zugleich den sehr persönlichen und individuellen Stil der Bürgerhäuser. Die Ausrichtung der Kirche vom nordöstlichen Chor zum südwestlichen Portal ist etwas verwirrend und folgt aber konsequent der Ausrichtung der Bürgerhäuser und den nordwestlich in Richtung Nordseeküste verlaufenden Grachten; die Entwässerung des Stadtgebietes durch Windmühlen hatte absoluten Vorrang gegenüber religiösen Vorstellungen, denn Delft selbst liegt 2-4 Meter unter dem Meresspiegel und nachsickerndes Grundwasser muss durch Windmühlen in die Schie abgeschöpft werden, um erst die Polderwirtschaft hinter dem Deich zu ermöglichen.


Bild: Delft_Grachten_1865_2_Wikipedia
: dies Bild zeigt sehr gut, wie die Lage der Entwässerungskanäle das alte Stadtgebiet eingrenzt.

 

Etwas weiter in nordöstlicher Richtung im Stadtkern befindet sich die Voldersgracht 25, in der Jan Vermer aufwuchs; das Haus selbst gibt es nicht mehr.

Im Alter von 22 Jahren von Vermeer explodierte in Delft das Pulverlager am Geerweg und ein Viertel bis ein Drittel der Häuser wurden zerstört. Der Geerweg liegt im nördlichen Viertel der grachtenumschlossenen Stadt.

 


Bild: Delft_32.jpg
: der Blick auf das Portal der Nieuwe Kerk, über die noch leeren Cafehausstühle neben den verglasten Windschutzscheiben...

 


Bild: Delft_35_Marktplatz.jpg
: der Blick auf die vielfältigsten Bürgerhäuser

 


Bild: Delft_Neue_Kirche_2011.jpg
: der frontale Blick auf das Portal, von der Mitte des Marktplatzes aus etwa

 


Bild: Delft_29.jpg
: der Oberlichtgaden mit kargen Buntglasfenstern

Bild: Delft_27.jpg
: einen Moment innehalten

Bild: Delft_28.jpg
: ebenso

Bild: Delft_31.jpg
: das riesige Buntglasfenster an der Stirnseite des süd-östlichen Seitenschiffs

Bild: Delft_30.jpg
: ich habe nicht in Erfahrung gebracht, was es vorne am Altar zu sehen gab, und ich fragte auch später nicht mehr nach. Für mich war das Raumgefühl formvollendet und schön.

 

 

Ich hatte eine museumspädagogische Reise gemacht und Vermeers Umfeld betrachten können, das dem aus einer Stadtvilla heraus geglichen haben könnte. Das reale Umfeld wird eher so ausgesehen haben:


Bild: Delft_Jan_Vermeer_van_Delft_025.jpg
:

Die Diskussion um Vermeers mögliche Verwendung einer camera obscura ist mangelhaft und unbelegt in Wiki eingepflegt und auch nicht im Vermeer Centrum angesprochen worden, zumindest fiel es mir nicht auf. Vermeer verstarb 1675.

Erst im Jahre 1686 konstruierte Johann Zahn eine transportable Camera obscura (Zitat Wiki). Es ist unverständlich, Vermeer den Gebrauch dieser Lochkamera zu unterstellen.

>>Möglicherweise benutzte bereits der Maler Jan Vermeer eine Camera Obscura, was den Detailreichtum seiner Werke erklären würde. Der Ausschnitt rechts aus seinem Landschaftsgemälde Ansicht von Delft zeigt entfernte Hausdächer. Deren komplizierte Geometrie konnte der Maler unmöglich dadurch erfassen, dass er näher an die Gebäude herantrat. Wäre er ausschließlich seiner Intuition gefolgt, hätte er wahrscheinlich einen anschaulicheren Bildaufbau gewählt.<< (Zitat Wiki, Ansicht der Stadt Delft).

Vermeer kann aber sehr wohl ein Fernrohr benutzt haben, und seit Dürer ist der gerasterte Klappenapparat bekannt.

Vermeer ging in die Lehre bei Leonaert Bramer, von dem leichte bis heitere Augenblicks-Skizzen seiner Italienreise bekannt wurden, mit hellem und bewegtem Strich und lasierender Tusche, um die Lichtverhältnisse festzuhalten.

In diesem Video wird Bramerts heiteres und halb geöffnetes Fensterbild geschildert

eine wesentlich reichere Ansammlung von Werken Vermeers Lehrherrn, der anscheinend zur Abbildung von Inneneinrichtungen und –szenen wechselte, als er wieder in die Delfter Heimat zurückkehrte.


Einschub Canaletto

>>Bei der Anfertigung einer Vedute ging („Canaletto“) Bellotto (1721 bis 1780) stets ähnlich vor. Zunächst wurden mehrere kleine und mittlere Zeichnungen mit Hilfe einer camera obscura angefertigt, die dann in einer großen, endgültigen Zeichnung verarbeitet wurden. Diese mit einem Lineal sehr genau angefertigte Zeichnung wurde nun quadriert, d.h. mit einem Liniengitter versehen, und mit Hilfe dieser Quadrate dann vergrößert auf die Leinwand übertragen. Ergänzend fertigte Bellotto auch Skizzen architektonischer Details und freie Skizzen der Staffagefiguren im Maßstab des Gemäldes an. Diese Zeichnungen wurden gewöhnlich sorgfältig aufbewahrt, denn sollte ein Bild nochmals ausgeführt werden (was oft geschah), benötigte er nicht das Original, sondern konnte bis an sein Lebensende anhand der Zeichnungen Wiederholungen anfertigen<< (Zitat Wiki).


 

In neuerer Zeit erschien aber ein kleines Buch (Prestel Verlag, Brad Finger, ISBN: 978-3-7913-3947-4 ), in dem als Schwerpunkt auf die Anwesenheit eines Loches in der bemalten Leinwand mit hinterklebtem Haar als Fadenkreuz aufmerksam gemacht wurde. Dieses Loch diente zum Rastern, Finden und richtigen Verschieben der gemeinsamen Bildteile in der Reproduktion auf der Leinwand, um das gesamte Bild besser in seinen Einzel- und Versatzstücken kacheln zu können. Methodisch falsch ist das bei Vermeers Genremalerei nicht, um eine ganzheitliche formvollendete zusammen gesetzte Aussage im dargestellten Szenario seiner zeitlosen Bilder zu treffen. Aber aus einem Fadenkreuzloch die Verwendung der Camera obscura als Beweis abzuleiten, erscheint etwas gewagt.

Die eingeschobene Szene im Film „Perlenohrring“, in der Vermeer dem Haus-Mädchen Grit einweihend den Gebrauch der recht lang gebauten Camera obscura zeigt, könnte also m.E. wirklich nur ein die Spannung erhöhendes Filmkonstrukt zu sein. Ein mitfühlendes Film-Publikum zieht bestimmt ungleich höheren Gewinn aus solchen anschaulichen handwerklichen Szenen. Dieses lange Gerät braucht auch einen großen Objektabstand und Vermeer mag zwar einen großen Raum als Atelier gehabt haben, wenn man dafür im Obergeschoss eine ganze Hausbreite annimmt, die gekachelten Ergebnisskizzen müssen aber bei Vermeers Präzision recht klein gewesen sein.

Die Rezensentin Helga König meint: Vermeer habe „....eine "camera obscura" verwendet, darauf jedenfalls deuten die Unschärfe-Effekte und pointilistischen Einsprengsel hin, (vgl.: 87)....“

Dem kann entgegen gehalten werden, dass eine getupfte Farbe sehr wohl ein Teil des Umgangs mit der dichteren oder loseren Aufmerksamkeit sein kann, nicht nur der gemalte Formstrich. Gerade die Unschärfe kann der Bildstimmung des atmosphärischen sehr nahe kommen. Der zeichnerische Formstrich zwingt zum Nachspuren des erkannten Willens; die getupfte Einzelheit weist das verweilende Auge schnell wieder zum Schwerpunkt.

Es wäre m. E. ein Experiment wert, was für eine Darstellungsqualität die zeitlich nach Vermeer angebotene camera obscura anbot und welche Kachelungen sie abverlangte.

Gleichwohl wirken Vermeers gesamte Bilder richtig zusammengestellt, wenn man von der Technik des Kachelns ausgeht. Bramert kachelte andererseits hingegen nicht, -dazu waren seine Skizzen zu frisch am ersten Eindruck.

Ein ähnliches Problem hatte Vermeer mit der Darstellung der Fenster zu bearbeiten und er löste es durch die Darstellung der Bleiverglasung, die Fensteröffnung und den Vorhang. Er kannte das Problem bereits selbst. Auch ein diagonal gerasterter Fußboden kommt schnell im nächsten Vordergrund in den Bereich, wo die Fliesen unnatürlich groß und verzerrt wirken.


Bild: Schärfentiefe_Wiki.jpg
: die entnommene Grafik soll das Problem klären. Wenn Vermeer z.B. die Landkarte an der Wand präzise gemalt hätte, hätte er nach der bestimmt gefühlsmäßig wahrgenommenen Logik die Teile des Vordergrundes unscharf und tupfelnd malen müssen. Ich versuche mir den Schwerpunkt im Bild „der Soldat und das lachende Mädchen“ vorzustellen: ist das erheiterte Gesicht der Dame wichtig, oder das halb angerissene Gesicht des bärtigen Grobians im Vordergrund?

Hätte Vermeer die Camera obscura für das Detail des Mannes an seinen Augen genommen (der Soldat und das lachende Mädchen, 1658), wäre das Auge nicht so weit zum Betrachter des Bildes hinzu gedreht gewesen und die Frau hätte ihren Blick eher etwas gehoben. Hier stimmt die Relation der Gesichter nicht, auch wenn ich an den höfischen Blick denke.


Ich bin zu der Annahme gekommen, dass Vermeer ein hochbegabter und sehr disziplinierter Handwerker war, der im Goldenen Zeitalter Delfts lebte. Sein Spektrum reichte von gekonnten barocken Allegorien als Tribut bis hin zu feinfühligsten ruhigen Zimmeransichten, wie wenn er einen Teil der Zeit eingefror, um einen Gefühlsausdruck für lange Zeit fest zu halten. Ich glaube nicht, dass er eine camera obscura verwendete, bin aber überzeugt, dass er die Perspektive bei der Anordnung von räumlichen Skizzen sehr wohl beherrschte.

Reinhard von Tümpling, im August 2011