Baldur

Balder

Balder ‚Herr, Held, Fürst‘ ist ein Gott in der germanischen Mythologie.

Eine konkrete Funktion bei der rituellen Kultpraxis in den germanischen Religionen ist ungewiss und wird in der fachwissenschaftlichen Forschung kontrovers diskutiert.

Balder ist nach der Prosa-Edda des Isländers Snorri Sturluson Sohn des Odin und der Frigg, somit Bruder von Hödur und Hermodur. Mit seiner Gattin Nana hat er den Sohn Forseti.

Mythos

Balder lebt in Breidablik in Asgard und besitzt das Schiff Ringhorn.

Er hat eines Tages einen Traum von seinem eigenen Tod, worauf seine Mutter Frigg zu jedem Tier und zu jeder Pflanze geht und sie auffordert, einen Eid abzulegen, dass sie Balder nicht verletzen werden. Nur der junge Mistelzweig scheint Frigg zu unbedeutend zu sein, als dass sie von ihm einen Eid abnehmen sollte. Es kommt zu einem Spiel der Asen, bei welchem sie den nunmehr unverwundbaren Balder mit Speeren, Steinen und anderen Waffen beschießen, ohne dass Balder etwas geschieht. Loki nutzt es aus, dass die Mistel keinen Eid abzulegen brauchte, und gibt Balders blindem Bruder Hödur einen Mistelzweig und bedeutet ihm, damit zu schießen. Der Zweig trifft Balder, und der Gott sinkt tot zusammen.

Der Leichnam wird auf einem Schiff aufgebahrt, das nur die Riesin Hyrokkin (oder Hyrrokkin) ins Wasser stoßen kann. Unter der Wucht fangen die Rollen, auf denen das Schiff stand, Feuer und entzünden den Leichnam. Thor segnet den Leichenbrand mit seinem Hammer Mjölnir. Sein Vater Óðinn gibt den Ring Draupnir mit auf Balders letzte Fahrt gen Hel. Balders Gattin Nanna stirbt während der Bestattungsfeierlichkeiten an gebrochenem Herzen und wird zusammen mit Balder verbrannt.

Hermodr versucht vergeblich, seinen Bruder aus dem Reich Hel zurückzuholen. Diese aber entlässt Balder erst aus ihrem Reich, wenn alle Dinge ihm nachweinen. Die Asen schicken Boten in alle Welt und erreichen, dass alle Lebewesen und sogar Steine und Metalle um Balder trauern. Nur Loki, in Gestalt der Riesin Rökk, verweigert ihnen den Gefallen. Folglich wird Balder die Rückkehr nach Asgard verweigert.

Später versöhnen sich Balder und Hödur miteinander und kehren nach Ragnarök einträchtig bei der Entstehung eines neuen Weltgebäudes zurück. Der Tod des Balder war aber nur der Anfang seiner Reise und sollte nicht sein Ende gewesen sein. In der epischen Schlacht am Tag des Ragnarök zerstörten sich Götter, Riesen, Mensch und Monster gegenseitig und weihten die Welt dem sicheren Untergang. Doch es wurde auch prophezeit, dass die Lichtgestalt Balder am Ende des Ragnarök aus dem Totenreich Helheim wiederkehren und mit seinem Glanz das Zeitalter einer neuen Welt einleiten werde.

In dieser neuen Welt sollte es weder Verrat noch Lüge oder Mord geben. Ebenso wurde prophezeit, dass ein Herrscher kommen würde, dessen alleinige Macht über alles gebieten solle. Ob hiermit das Christentum gemeint war, ist Spekulation - dennoch wird diese These heute immer noch unter Geschichtswissenschaftlern diskutiert.

Neuere Textuntersuchungen der Quellen und Vergleiche mit Darstellungen auf völkerwanderungszeitlichen Brakteaten (Münzen) lassen vermuten, dass in einer älteren Version der blinde Odin seinen Lieblingssohn tötete und so zu sich nahm. Die Darstellung in der Völuspá und bei Snorri sei eine humanisierte Fassung, in der Odin, der vorher in der Maske des Hödur auftrat, später von ihm geschieden wurde. Das Spiel der Asen, auf Balder zu schießen, soll die alte mythische Formel einer rituellen Gemeintötung zum Opfer für das Gedeihen alles Lebendigen darstellen.

 

Als Balders Träume oder Baldrs draumar (auch Wegtamlied genannt) bezeichnet man ein Lied aus der Lieder-Edda, das nur wenige Jahrzehnte nach der Haupthandschrift des Codex Regius entstand und partiell einige Gemeinsamkeiten mit dem Thrymlied und der Weissagung der Seherin aufweist. Es setzt sich aus insgesamt 14 Strophen zusammen, von denen die ersten vier einleitende und die restlichen zehn Dialogstrophen sind.

Zur Zeit der Romantik, im 18. und 19. Jahrhundert, wurde das Lied aufgrund seiner düsteren romantischen Stimmung häufig rezipiert.

Inhalt

Aufgrund der furchtbaren Alpträume Balders, in denen er von seinem eigenen Tod träumt, begibt sich Odin als Wegtam getarnt in die Niflhel, der untersten aller Welten, die hinter der Hel liegt und erweckt dort mithilfe seiner Zauberkräfte eine tote Seherin wieder zum Leben, um von ihr die Bedeutung der Träume Balders zu erfahren. Unter magischem Zwang erzählt die Seherin Odin vom Tode seines Sohnes Balder, nennt dessen Mörder Höd (nicht aber dessen Anstifter Loki), sowie Balders Rächer Wali, der ein weiterer Sohn Odins ist und erkennt am Ende des Liedes, wer Wegtam in Wahrheit ist.

5. Vegtamskvidha. (Barldurs Träume)

Das Wegtamslied.

1Die Asen eilten all zur Versammlung

Und die Asinnen all zum Gespräch:
Darüber beriethen die himmlischen Richter,
Warum den Baldur böse Träume schreckten?

2(Ihm schien der schwere Schlaf ein Kerker,

Verschwunden des süßen Schlummers Labe.
Da fragten die Fürsten vorschaunde Wesen,
Ob ihnen das wohl Unheil bedeute?

3Die Gefragten sprachen: „Dem Tode verfallen ist

Ullers Freund, so einzig lieblich.“
Darob erschraken Swafnir und Frigg,
Und alle die Fürsten sie faßten den Schluß:

 

4„Wir wollen besenden die Wesen alle,

Frieden erbitten, daß sie Baldurn nicht schaden.“
Alles schwur Eide, ihn zu verschonen;
Frigg nahm die festen Schwür in Empfang.

5Allvater achtete das ungenügend,

Verschwunden schienen ihm die Schutzgeister all.
Die Asen berief er Rath zu heischen;
Am Mahlstein gesprochen ward mancherlei.)

6Auf stand Odhin, der Allerschaffer,

Und schwang den Sattel auf Sleipnirs Rücken.
Nach Nifelheim hernieder ritt er;
Da kam aus Hels Haus ein Hund ihm entgegen,

 

7Blutbefleckt vorn an der Brust,

Kiefer und Rachen klaffend zum Biß,
So ging er entgegen mit gähnendem Schlund
Dem Vater der Lieder und bellte laut.
Fort ritt Odhin, die Erde dröhnte,
Zu dem hohen Hause kam er der Hel.

8Da ritt Odhin ans östliche Thor,

Wo er der Wala wuste den Hügel.
Das Wecklied begann er der Weisen zu singen,
(Nach Norden schauend schlug er mit dem Stabe
Sprach die Beschwörung Bescheid erheischend)
Bis gezwungen sie aufstand Unheil verkündend.

 

Wala.

9Welcher der Männer, mir unbewuster,

Schafft die Beschwerde mir solchen Gangs?
Schnee beschneite mich, Regen beschlug mich,
Thau beträufte mich, todt war ich lange.

 

Odhin.

10Ich heiße Wegtam, bin Waltams Sohn.

Wie ich von der Oberwelt sprich von der Unterwelt.
Wem sind die Bänke mit Ringen bestreut,
Die glänzenden Betten mit Gold bedeckt?

 

Wala.

11Hier steht dem Baldur der Becher eingeschenkt,

Der schimmernde Trank, vom Schild bedeckt.
Die Asen alle sind ohne Hoffnung.
Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.

 

Wegtam.

12Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen

Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne:
Welcher der Männer ermordet Baldurn,
Wird Odhins Erben das Ende fügen?

 

Wala.

13Hieher bringt Hödr den hochberühmten,

Er wird der Mörder werden Baldurs,
Wird Odhins Erben das Ende fügen.
Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.

 

Wegtam.

14Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen

Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne:
Wer wird uns Rache gewinnen an Hödur,
Und zum Bühle bringen Baldurs Mörder?

 

Wala.

15Rindur im Westen gewinnt den Sohn,

Der einnächtig, Odhins Erbe, zum Kampf geht.
Er wäscht die Hand nicht, das Haar nicht kämmt er
Bis er zum Bühle brachte Baldurs Mörder.
Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.

 

Wegtam.

16Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen

Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne:
Wie heißt das Weib, die nicht weinen will
Und himmelan werfen des Hauptes Schleier?
Sage das Eine noch, nicht eher schläfst du.

 

Wala.

17Du bist nicht Wegtam wie erst ich wähnte,

Odhin bist du der Allerschaffer.

 

Odhin.

18Du bist keine Wala, kein wißendes Weib,

Vielmehr bist du dreier Thursen Mutter.

 

Wala.

19Heim reit nun, Odhin, und rühme dich:

Kein Mann kommt mehr mich zu besuchen
Bis los und ledig Loki der Bande wird
Und der Götter Dämmerung verderbend einbricht.

 

Reinhard v.Tümpling, im Januar 2014