
FÜRSTENFELD
ENTWURFSVERFAHREN BAROKER ARCHITEKTEN UM 1700
NACH LUDWIG SCHMALHOFER
Wie bereits erwähnt, war zunächst Viscardi mit der Planung des Baus beauftragt
worden. Er verstarb jedoch 1713, lange vor dessen Fertigstellung. Johann
Georg Ettenhofer, der viele Jahre mit Viscardi zusammengearbeitet hatte,
führte dessen Werk nach seinem Tod fort.
Im großen Kunstführer des Verlages Schnell & Steiner ( Nr. 39 ; München)
erscheint eine Ansicht des Klosters nach einem Stich von Wening, welcher
sich nach den Plänen Viscardis orientiert. Dieser stimmt zwar, was den
Klosterbau betrifft, mit den heutigen Gegebenheiten überein, jedoch treten
wesentliche Unterschiede im Bau der Kirche auf. Daraus lässt sich folgende
These aufstellen:
Zwar stammte die ursprüngliche Planung des Klosterbaus
von Viscardi, nachdem dieser jedoch verstorben war, beeinflusste Ettenhofer
dessen Vorlage, so dass das heutige Ergebnis ein Produkt aus Viscardis
Anfängen und Ettenhofers selbstständiger Vollendung darstellt.
Diese These kann nun durch folgende mathematische Beweise an zwei Beispielen
belegt werden:
1. Der Westtrakt im westlichen Hof
Ende des 17. Jahrhunderts, also zur Bauzeit, existierte
noch kein Metermaß. Durch Vergleiche der vorliegenden Zentimeterwerte
mit verschiedenen deutschen und italienischen Maßeinheiten konnte für
diesen Teil des Baus das Entwurfsmaß „Palmo romano“ als das von Viscardi verwendete Maß ermittelt werden:
10
Palmi romani = 1 Granna romana = 2,233... Meter
3 Palmi romani = 1 Braccio
romano = 0.670 Meter
1 Palmo romano
= 22 1/3 cm unterteilt in 12 once
oder 60 minute oder 120 decimi
Legt man nun ein Raster
mit der Maschenweite von einem Palmo romano an, und legt man dieses über
das Aufmaß eines Bogens der Bogenhalle im Erdgeschoss, so können diese
gut zur Deckung gebracht werden:
Man erkennt z.B. eine
Achsweite von 18 Palmi, was 402 cm entspricht:
18
x 22 1/3 = 1206/3 = 402 cm
Die lichte Breite
des Bogens beträgt 12 1/3 Palmi, also 275,44 cm:
22 1/3 x 12 1/3
= 1479/9 = 275 4/9 = 275,44 cm
Bei der Breite des
Mauerpfeilers ergeben sich aus 5 2/3 Palmi 126,55 cm:
22 173 x 5 2/3
= 1139/9 = 126 5/9 = 126,55 cm
Es ergibt sich nun,
dass im Aufmaß folgende Werte eingetragen sind:
Achsweite = 400 cm
=> Differenz = -2 cm
Lichtbreite = 276 cm
=> Differenz = +5,6 mm
Pfeilerbreite = 70 + 2 x 14
+ 2 x 13 = 124 cm => Differenz = -2,55 mm
Wie man hier sehr
gut sehen kann, neigten die Aufmessenden dazu, die Werte, welche sich
aus dem Palmo romano – Raster ergeben, ihrem Metermaß entsprechend auf
angenehme Werte zu runden.
Hier Bilder von Fig.1
+ Fig.1 im Palmo romano – Raster
Das Raster des Palmo
romano kann mit den Maßen folgender Bereiche zur Deckung, und damit mit
Viscardi in Verbindung gebracht werden:
1.
Westtrakt bis zur Nordfront
– Achse
2.
Nordfrontachse
3.
Hoflinie des Nordtraktes
im westlichen Hof
4.
Fassade des Mitteltraktes
zum westlichen Hof
5.
Durch Triangulatur bestimmte
Form des westlichen Hofes
6.
Nordfront der Kirche im
westlichen Hof (nur Lage)
2. Der Nordtrakt im westlichen Hof
Während sich nun bei oben genannten Bereichen der Kirche das Palmo romano
als der passende Schlüssel erweißt und somit zum „Viscardi-Anteil“ , bleibt
beispielsweise der Querschnitt eines Bogens der Bogenhalle des Nordtraktes
im westlichen dem Betrachter verschlossen, die eingetragenen cm-Werte
ergeben in Kombination mit dem Raster keinen nennenswerten Sinn. Man kann
daraus schließen, dass die bauten des Nordtraktes mit einem anderen Maß
entworfen wurden:
Die lichte Breite des Bogens beträgt hier 292 cm, dies entspricht im
bayrischen Fußmaß 10 Fuß => 144 Linien = 12 Zoll = 1
Fuß = 29,18 cm
Als Verwender des Fußmaßes kommt nun Ettenhofer in Frage
Beleg für Fußmaß:
Die eingetragene Achsweite beträgt 416 cm
Aus der eingetragenen Maßkette ergibt sich:
74/2 + 11,5 + 14 + 292 + 14 + 11,5 + 74/2 = 417 cm
Dieses Maß hat seinen Ursprung in folgenden Gegebenheiten:
Der 4-geschossige Mittelbau hat eine Achslänge von 100 Fuß. Seine Mauer
erstreckt sich auf insgesamt 7 Pfeilern ( denn von den vorhandenen 8 Pfeilern
stützen die beiden Eckpfeiler jeweils zur Hälfte die anschließenden Mauern
), dazwischen spannen sich 7 Bögen.
 
ð
7 Pfeilerbreiten + 7 Zwischenweiten = 100 Fuß
Aus dieser Rechnung ergibt sich die Achsweite eines Bogens wie folgt:
½ Pfeilerbreite + 1Zwischenbreite + ½ Pfeilerbreite = 100
Fuß : 7
ð 2918
cm : 7 = 416,8 cm
Dies ist die exakte, aus dem bayrischen Fußmaß errechnete Achsweite und
liegt zwischen den beiden oben angegebenen Werten 416 und 417.
In Verbindung mit dem Fußmaß sind nun folgende Bereiche der Planung Ettenhofers
zuzuschreiben:
1. Die
Austeilung der gesamten Nordfront
2. Die
Nordfrontachse
3. Der
Osttrakt
4. Der
Südtrakt
5. Die
Austeilung der Nordfrontfassade gegen die Höfe
6. Die
Form des östlichen Hofes
7. Die
Kirche
Wie sich nun die Kirche in die verschiedenen Planungsbereiche unterteilt,
soll anhand diese Grafik deutlich werden:
Comming soon ;)
Fazit: Dadurch, dass bei der Planung zwei verschiedene
Maße verwendet wurden, ist diese
auch durch zwei unterschiedliche Personen entstanden, wobei
nur Viscardi und
Ettenhofer in Frage kommen.
q.e.d.
Quelle:
„Das Münster“, Heft 5/6, 18.Jahrgang, Mai/Juni, Ludwig Schmalhofer:
„Entwurfsverfahren Barocker Architekten um 1700“
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