Der elektronische Prometheus, kunstpädagogisch gewendet
 Johannes Kirschenmann 
    
 
Neue Medien sind risikoreich für ihre Erfinder und Vermittler: Bartholomäus Gothan aus Magdeburg, einer der ersten Drucker, wurde in Moskau um 1494 als suspekter Schwarzkünstler ertränkt (Appel 1970; Sp. 1367), weil man erkannt hatte, wie seine - gedruckten - Botschaften die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen könnten. Disparater war die Reaktion auf die Bücher aus der Werkstatt des Johann Gensfleisch zum Gutenberg. Während Kardinal Nicolaus Cusanus in ihnen eine ars sancta sah, kirchlichen Zwecken durchaus dienstbar, sprachen im spätmittelalterlichen Mainz nicht wenige von Teufelswerk angesichts von gedruckten Bibeln, die, alle gleich aussehend, nicht von Hand, sondern mechanisch gefertigt worden waren. 
 
Geht es heute in der Diskussion um Technik und Technikfolgen in den Gesellschaften und ihren Kommunikationsstrukturen, dann bemüht man gern das vergleichende Bild vom Buchdruck und Computer, weil zunächst plausibel, herbeizitiert – und blendet so verkürzend doch die Reflexion über den differenzierten sozialen Kontext der jeweiligen Technik aus. Konsequenzen, auch pädagogische, haften nicht unmittelbar den Apparaturen an. Der Buchdruck – in Fernost lange vor Gutenberg erfunden – «löste in Korea und China keine kulturelle Revolution aus, sondern diente zur ‹Konservierung› der gesellschaftlichen Verhältnisse, weil der Buchdruck dort – eingebettet in einen anderen religiösen und weltanschaulichen Kontext – zur exakten Reproduktion von Texten mit dogmatischer Gültigkeit benutzt wurde» (Wagner 1998, S. 6). 
 
In pädagogischer Absicht müssen wir das Phänomen des Computers in Gesellschaft und Schule mit Akribie wahrnehmen. Der Beitrag will neben theoretischen Reflexionen auch fachdidaktische Problemskizzen aufwerfen; unmittelbare Praxisvorschläge werden im Beitrag «Computer als Werkzeug im Kunstunterricht» vorgeschlagen. 

Luthers Übersetzung der Bibel und Gutenbergs (vermeintliche) Erfindung, von anderen kommerziell genutzt und als Produktionsinstrument durchgesetzt, bereiteten das größte Medienereignis der Neuzeit vor: Die Cranach-Werkstatt steuerte Illustrationen bei und implantierte so das traditionelle Imago in das neue Medium des gedruckten Buches ; 100.000 Exemplare dieser Bibel, bis dahin eine unvorstellbare Menge, wurden verkauft. Und das neue Medium war nicht exklusiv für die klerikalen Regenten reserviert: «Die Erfindung der Buchdruckerkunst um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts brachte manches fliegende Blatt auf das Land hinaus; es fand sich immer einer, welcher denen, die nicht lesen konnten, es las; und diese Flugblätter hatten sehr oft einen Inhalt, welcher den geistlichen oder den weltlichen Herren, meist beiden zugleich, feindselig war» (Zimmermann 1989, S. 13). 
 
 
Neue Medien 
Hunderttausend ist zurzeit etwa die Zahl derer, die sich pro Monat bei T-Online anmelden, dem größten Anbieter von Netzdiensten auf dem deutschen Markt, um künftig an den Segnungen von Internet, E-Mail, Online-Banking und mehr teilzuhaben. Die Steigerungsrate bei der optionalen Internetnutzung beträgt in Deutschland zurzeit zwischen 40% und 50%, weltweit kommen jährlich 50 Mill. neue Nutzer hinzu. Was zunächst als Spielzeug einer kleinen, vom Computer faszinierten Gruppe gehandelt wurde, markiert immer häufiger seine wachsende Bedeutung in einer massenmedialen wie internationalen Kommunikation. Im Herbst 1998 wurde das Datennetz zur politischen Schaubühne, als der Starr-Report, eine einzige Textsammlung ohne Bilder, den amerikanischen Präsidenten an den elektronischen Pranger stellte . In den ersten beiden Tagen nach Veröffentlichung griffen allein beim amerikanischen Kongress etwa sechs Millionen Netznutzer auf das Dokument zu. Andere Distributoren hinzugerechnet, addieren sich die sensationsheischenden Netzsurfer in den ersten Tagen nach der Publikation auf mehrere zehn Millionen. Sie stießen auf ein Dokument, das als Mischung aus trockener Juristendiktion und pornographischen Versatzstücken den taktischen Anspruch auf demokratische Kommunikation mit dem Ziel veränderter Machtverhältnisse als bloße Unterhaltung entlarvte – und letztlich dem Gedemütigten unerwartete Sympathiewerte verschaffte. 
 
Das Internet ist ein besonders anschauliches Beispiel für das weltumspannende Netzwerk, in dem die Daten dem raschen Verfall, der Flüchtigkeit und der Transformation durch den Rezipienten unterliegen. Schule und Kunstpädagogik werden diese Virtualität ganz real in ihr Kalkül der perspektivischen Möglichkeiten auch schulischen Lernens aufnehmen. Seitenanfang
 
 
Das Feuer des Prometheus - der Computer 
Im Blick zurück ließen die historisch jeweils neuen Medien, der Bilderdruck im Holzschnitt und der Buchdruck, vorwiegend mit Bleilettern, stets die gewohnten Kommunikationsstrukturen hinfällig werden. Bis in das späte Mittelalter war gesellschaftliche Kommunikation an die Anwesenheit der Teilnehmer in der Öffentlichkeit, bevorzugt Kirche oder Marktplatz, gebunden. Ort und Zeit bildeten eine Einheit – und diese Einheit wurde ansatzweise aufgelöst als Folge der neuen Medien. Zu Kanzelpredigt und zum Jahrmarktsspaß traten vervielfältigte Zeichen und Bilder ergänzend dazu. Auf Papier gedruckt, erreichten sie ein uneinheitliches Rezipientenpublikum. Es ist die Zeit, in der das mittelalterliche Imago des Gottesbildnisses durch die ingeniöse Hand des Renaissancekünstlers zur Kunst wird. «Schrift und Imago sind Medium des Göttlichen und dessen gesetzgebenden Vertretern. Text und Abbild sind Medium der Autoren. Operation und Bild sind Medium der Apparate... «Medium» heißt «Mitte», «Mittel», «Vermittlung». Jedes Zeichensystem hat die mediale Aufgabe, in einer Gesellschaft Ideen auszustreuen» (Wyss 1995, S. 17). Kunst als komplexes Zeichensystem tat dies schon immer, war Medium, Mittel und Vermittlung. Kunstpädagogisch gewendet folgt ein Doppeltes aus dem Axiom: Welche Medienformen konstituieren sich im Kontext des Computers, und welche Ideen lassen sich aus den generierten Zeichensystemen ablesen? Schon eine erste Hürde ist hoch: Medientheorie und Medienpädagogik lassen keine knappe Definition des Medienbegriffes zu (vgl. dazu den Beitrag «Medienbegriffe»). 
 
Deutlich ist der Unterschied zwischen dem didaktischen Medienbegriff, der Medien als jene Instrumente beschreibt, mit denen Unterrichtsinhalte präsentiert und bearbeitbar werden, und dem hier verwendeten Medienbegriff der Kommunikationstheorie. 
 
Viele Medien, herausragend darunter der Computer, operieren mit digitalisierten Daten; Informationen liegen im binären System 0 oder 1 vor. Dies bedingt zweierlei: In die Datenstruktur kann tief verändernd eingegriffen werden. Informationsmodifikation, Bildbearbeitung uvm. sind leichter geworden, dem Resultat ist die Intervention nicht mehr abzulesen. Und: Kleinere Medieneinheiten bieten sich an, zu größeren Ensembles zusammengesetzt zu werden (Bolz 1997, S. 666f.). Unsere Vorstellung von Wirklichkeit ist geprägt von den Produkten, ja von den Konstruktionen des weltumspannenden Netzwerks der Medienverbunde und sie lassen uns erneut intensiv danach fragen, wie wirklich die Wirklichkeit eigentlich ist (Watzlawick 1988). Wolfgang Welsch sieht die Medien prägend und konstitutiv auf das einwirken, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen bzw. erfahren, denn die elektronischen Medien können «auf alle Gegenstände zugreifen, aber - wie jedes Medium - nur nach ihrer eigenen Art. Indem nun die gleichen Gegenstände mal im einen, mal im anderen Medium zugänglich werden, wird genau diese Spezifität und Begrenztheit des jeweiligen Mediums erfahrbar« (Welsch 1996, S. 317). Seitenanfang
 
 
Bildgewinn – Sprachverlust? 
Dass am 31.12.1999 Datenballast von den vollen Festplatten gelöscht werden muss oder soll, um mit neuen Kapazitäten in das nächste Jahrhundert zu gelangen und frei zu sein von ‹unnötiger› sprachlicher Fixierung geronnener Geschichte und Erinnerung, darf nicht nur angesichts rasch expandierender Speichermedien - weniger auf Festplatte denn in den megabytegroßen Chips –, sondern muss grundsätzlich bezweifelt werden. Kulturelle Transformation schließt Traditionswissen und historisches Bewusstsein ein. Eine der wichtigsten Funktionen von Sprache liegt in ihrer Bedeutung als Instrument differenzierter Kommunikation, und wir werden die Vermehrung der bildlichen, piktogrammartigen Zeichenkomplexe erleben. Jedoch werden sich zunächst die Icons als zunehmend allgemein verständliche Symbole mit der Geschwindigkeit tumorartiger Zellteilung vermehren, begleitet von einer Sprachmutation, die überlegten Stil und differenzierten Ausdruck für hinfällig erklärt und sich mit Anglizismen schmückt. 
 
Die pädagogische und psychologische Forschung zu den Veränderungen in der symbolischen Kommunikation und den korrespondierenden mentalen Fähigkeiten durch die neuen Medien steckt noch in den Anfängen. Im Begriffszusammenhang des Strukturalismus können für die pädagogisch geleitete Beobachtung Thesen gewagt werden: 
 
Die neuen Medien verändern die Bedeutung von Kommunikation: 

  • Innerhalb der linguistischen Codes gewinnen die audiovisuellen - gesprochene und gedruckte Texte, begleitet von Bildern und Tönen - an Bedeutung; 
  • ebenso wächst die Bedeutung des mathematisch-logischen Codes, denn die ‹Computersprache› bestimmt das Design und den Gebrauch der Software; 
  • in der symbolischen Kommunikation wird sich der sozial-gestische Modus ändern, welchen Rang er erhält, wird noch zu bestimmen sein; 
  • alles dies integrierend, ist die fortschreitende Verschmelzung und die Überlagerung der unterschiedlichen Kommunikationsformen zu prognostizieren. Menschliche Wahrnehmung und mentale Prozesse – stets geschichtlich und sozial vermittelt - werden durch die neuen Medien mit bisher unbekannter historischer Macht konditioniert (vgl. zum gesamten Thema: van Dijck 1993). 

Die Übertragung all der Informationen in den Datennetzen lässt zwar die Kommunikationspartner sehr nah, telepräsent werden, doch diese Kommunikationsnutzung kostet Geld. Verkürzungen, ein medienkonditionierter Slang, werden sich ausbreiten - «Sprache und Schrift verlieren ihre bisher dominierende Kraft an die perfekte, an europäische Kulturgewohnheiten keineswegs gebundene Beherrschung der technischen Medien» (Frühwald 1996, S. 38). Eine Vision ist nicht abwegig: Die babylonische Sprachvielfalt weicht vor der simplen Einheitssprache in der egalisierten, durch weltumspannende Computernetze definierten Globalkultur zurück. Das Fenster zur Welt hat einen Namen: WINDOWS. Solch einer eher kulturpessimistischen Sicht setzte Vilém Flusser schon vor einer Dekade die Prognose entgegen, dass der in das elektromagnetische Feld hineingeschriebene Text viel «dialogischer» sein werde, da er beim Empfänger ein Prozessverhalten der Veränderung, Manipulation oder des Umstülpens evoziere (Flusser 1995, S. 62). Seitenanfang
 
 
Konkretion und Abstraktion 
Die Entwicklung hin zu graphischen Benutzeroberflächen hat den Computer erst attraktiv für breite Nutzergruppen werden lassen. Die einst notwendigen ‹Kommandosprachen›, Zeile für Zeile in verkürztem Computerenglisch eingetippt, waren voller Nachteile: Der Benutzer musste sie eindeutig beherrschen; ein Fehler in der Syntax verhinderte die Programmausführung und es fehlten adäquate Sprachbegriffe für rechnerinterne Prozesse. Heute dagegen sind die Kommandosprachen durch visuelle Indices ersetzt. Graphische Oberflächen sind bedeutend leichter zu erlernen als die komplexe Syntax einer Kommandosprache, gleichwohl sind sie eher ein sprachliches Medium denn ein bildliches. Das Icon, vornehmlich als Piktogramm, vermittelt einen zu ihm gehörenden «konzeptuellen Begriff» anhand visueller Eigenschaften, die ihrerseits verbale Begriffe wie «Drucken», «Vergrößern», «Unscharf zeichnen» usw. repräsentieren. Diese Zeichen, in der Regel Piktogramme, sind so eng mit Wortsymbolen verbunden, dass sie praktisch als deren Substitute betrachtet werden können. 
 
Die technische Entwicklung wird tendenziell an die Stelle der Piktogramme vermehrt fotorealistische Darstellungen setzen – die freilich in ihrer naturalistischen Detailtreue die enge Verbindung zwischen Bild- und Wortsymbolen aufgeben. «Dies wiederum hat zur Folge, dass Benutzer nicht mehr in der Lage sein werden, selbst Informationen dem Rechner mitzuliefern. Wegen der mangelnden Sprachbezogenheit der Computerausgaben ist es ebenfalls kaum mehr möglich, dass der Computer dem Benutzer Informationen mitliefert. Hierdurch werden dem Einsatz von Virtueller Realität künftig konzeptuelle Schranken gesetzt» (Strohotte 1994, S. 212). 
 
Hier deuten sich Aspekte einer auch kunstpädagogisch getragenen Bildkompetenz an. «Visual literacy» als die zu erlernende Fähigkeit fordert, visuelle Botschaften (im Kontext neuer Medien) sinngenau interpretieren zu lernen und solche Botschaften selbst herzustellen (Petterson 1994, S. 215) gewiss, ein alter Wein in neuen Schläuchen, erinnert man sich der Illustrationen von Aristoteles. 
Die Bedienung der neuen technologischen Apparate, deren auf Bildern basierdes Funktionieren und deren Bildproduktion, setzt «visual literacy» als Bedingung für gelingende Kommunikation voraus. Erst wenn Bildung zum Bild tritt, resultiert aus der visuellen Grammatik Erkenntnis und Kompetenz zum Handeln. 
Im Kunstunterricht können solche Zusammenhänge jenseits kommunikationstheoretischer, von Schülern wenig goutierter Schau- und Denkbilder mit der Software «Microangelo» erkundet werden. Mit «Microangelo» lassen sich eigene Icons kreieren; diese sind freilich mit dem zeichentheoretischen «Ikon» nur verwandt, nicht identisch.  Mit dem ‹Studio› (Malprogramm) lassen sich vorhandene Icons umformen, neue entwerfen, in einer Bibliotheksverwaltung sammeln und sogar animieren. Reflektierte ästhetische Praxis, der Austausch z.B. aller Icons im gängigen Textverarbeitungsprogramm ‹WORD› mit überlegt hergestellten Icons, führt erhellend in Grundlagen und Probleme der bildzeichengestützten Verständigung ein. (Das Programm kann als Shareware unter  auf den Rechner geladen werden). Seitenanfang
 
 
Kunst – mediatisiert 
In Reaktion auf die weitere technische Mediatisierung der Bildwelten und in Reflexion dieser virtuellen Bilder hat die Malerei in den letzten Jahren wieder stärker den Gegenstand auf die Leinwand geholt. Im Lichte dieser Entwicklungen stellt sich für die Kunstpädagogik u.a. die Aufgabe, mit und gegen die Mediatisierung Erfahrungen mit dem ästhetischen Objekt zu ermöglichen - ästhetische, kognitive und sinnliche Erfahrungen, Erfahrungen mit den neuen Medienbildern und konventionellen Kunst-Bildern (vgl. David 1995, S. 64). Die erfahrungsintensiven Objekte, Bilder oder Installationen sind freilich im Dickicht der Gegenwartskunst mühsam aufzustöbern, treffen wir dort doch auf die Tendenz zur Egalisierung. 
 
Egalisierung folgt der medial bedingten Auflösung kultureller Besonderheiten in der digitalen Bildkultur von Adobe, Corel, Microsoft und Co. Diese Bildkultur ist für einen globalen Markt angelegt, nationale oder regionale Besonderheiten sind nachrangig. In der Tat ist ob der massenmedial bestimmten Herrschaft über die Wahrnehmung die Gefahr nicht gering, dass die neue, medial determinierte Ästhetik der Kommunikation die Kunst aufzehrt (David 1995, S. 59), dass Originalität, Erlebnisfähigkeit, Einmaligkeit u.a. hinter den «schönen» Bilder der schönen, neuen Computerwelt verschwinden. 
 
«Klones» titelt der österreichische Fotograf Dieter Huber unter seine Bilder, die er am Computer solange vermengt, bis jene skurrilen Auffälligkeiten aus dem Drucker kommen, die sich heute schon realiter in den Gen-Laboratorien andeuten. 
 
Ob solche Arbeiten der Forderung nach dem Widerständigen in der Kunst, der sperrigen Irritation entsprechen, darf angesichts oft glatter, nicht selten auch gefälliger Artefakte aus dem Computer bezweifelt werden. Mit Blick auf die Arbeiten von Aziz+Cucher äußert Birgit Richard Zweifel: «Eine Ein-Knopfdruck-Kunst» oder «Alle-Knöpfe-zugleich-Kunst» hat der medialen Kulturindustrie nichts entgegenzusetzen»; allein das Bildbearbeitungsprogramm ‹Photoshop› in Künstlerhand ist zu wenig (Richard 1998, S. 33). Offen bleibt die Frage, ob die unterschiedlichen Medien der Kunst Widerstand und Irritation gleichermaßen hervorzurufen vermögen. 
 
Duchamps Enkel, Louis Mueller, Douglas Huebler, Elaine Sturtevant u.a., die Meister des Sampling, fragen nicht nach Authentizität. Hier leitet ironische Verkehrung und die den Kunstbetrieb provozierende Verwirrung das Konzept, welches kunsttheoretisch bestenfalls mit dem Attribut ‹mnestisch›, d.h. mit der Fähigkeit, Erinnerung zu stiften, geadelt wird (vgl. Schütz 1993, S. 64ff.). Heinrich Klotz, prominenter Verfechter der Medienkunst, sieht in dieser gar eine Potenz, die die im Projekt der Moderne postulierte und weitgehend fehlgeschlagene Entgrenzung zwischen Kunst und Leben neu als bewusste und gewollte Disparität behaupte (Klotz 1996, S. 22). Medienkunst setze die Fiktionalität der Kunst - gegen die Simulation des Fernsehens - fort und konstituiere mit diesem Anspruch auf Utopie eine «Zweite Moderne», die Fortführung der Moderne. 
 
Wie sehr Medienkunst sich nur behaupten kann, wenn das apparative Moment nicht dominiert und die technisch generierte Ästhetik in ihrer Form an einen künstlerisch bestimmten Inhalt gebunden ist, zeigt am herausragendsten Aufstieg und Fall der Computergrafiken, unter ihnen die Fraktale. Noch Anfang der 90er Jahre als Ikonen der Computerkunst hochgehalten, auf der ‹ars electronica›, dem Mekka der Medienkunst mit ihrem alljährlichen Herbstrendezvous in Linz, mit Auszeichnungen dotiert, wird gerade dort die Computergrafik inzwischen von den Gralshütern der Computerkunst trotz ihrer einst betonten Bedeutung in den unteren Schubladen versteckt; adelnde Hochrufe werden nun auf Netzkunst und interaktive Kunst ausgebracht (vgl. http://www.aec.at). Seitenanfang