Jugendstil, Pop und Gegenwart

von Reinhard von Tümpling

Ich habe diese Unterrichtsfolge in einer 9. Klasse im Schuljahr 2003/2004 gehalten. Die Themenbereiche können sich in der 9. Jgst. parallel zum GSE-Unterricht erstrecken vom Jugendstil über den Nationalsozialismus mit der Geschichte Paul Klees bis hin zur Gewinnung der Gegenwart mit der amerikanisch dominierten Pop-Art oder bis zur Spurensuche nach neuen Ausdrucksformen.

Ich habe Klee bereits unterrichtet mit
www.kunstlinks.de/material/vtuempling/klee/
und Picasso als kunstgeschichtlichem Schwergewicht mit
www.kunstlinks.de/material/vtuempling/picasso/.

 

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Ein weiterer Themenbereich stellt sich im Jugendstil dar, noch vor Klee und Picasso. Im Wolf-Lehrmittelverlag gibt es dazu die Bild-Idee mit der Weiterentwicklung eines unvollständigen Kalenderblattes.


Bild: jugend_s.gif:

Ich habe den Unterricht dieses Jahr anders aufgebaut und Tischvorlagen- bzw. Arbeitsblätter besprochen.


Bild: klassi_2.jpg
Ich bin vom Klassizismus ausgegangen, um den Jugendstil nachvollziehbar und verständlich zu machen

Bild: jugend_z.jpg
(Die Originalblätter liegen auf einem Berliner Bildungsserver im -.png-Format vor)

Es ging im folgenden Unterricht um einen Rahmen mit einem pflanzlichen Wachstumsmuster, die beiden Figuren sollten nur zeichnerisch kopierend eingefügt werden.

Die Ergebnisse:


Bild: ergeb24.jpg: die recht enge Anlehnung an die Vorgabe des Wolf-Verlages

Bild: ergeb25.jpg: recht streng und starr

 


Bild: ergeb26.jpg: ein sehr hübsches Herbstbild


Bild: ergeb27.jpg: zwei Beispiele

Den Themenbereich "Picasso" habe ich dieses Jahr methodisch nur mehr gestreift und ich habe ihn mit Ausschnitten aus seinem Lebenswerk über laminierte Bildkarten vorgegeben.


Bild: ergeb28.jpg: auf unserer Frühjahrsausstellung gehängte Bilder

Ich habe aber mit Picasso selbst experimentiert und einige Schüler auf ihren eigenen Farbkopierer-Blättern nacharbeiten lassen (die Musik-Industrie macht in modernen Nachbearbeitungen nichts anderes, indem sie Tonpassagen der Klassiker neu arrangiert und resampelt; der gute Thomas Gottschalk lässt sogar die zur Legende gewordenen Interpreten neu erscheinen und als ihre eigenen Zeitdokumente auftreten - um die Krise des Populären zu beleuchten).


Bild: ergeb29.jpg eine recht gute Picasso-Nachbarbeitung


Bild: ergeb31.jpg zwei Schülerarbeiten


Bild: ergeb32.jpg zwei Exemplare

Ich hab in diesen fünf Arbeiten (von insgesamt 11 gesamten Farbkopien) bei den Schülern versucht, eine übereinanderlegende Collage zu montieren aus erster Arbeit und zweiter Nachbearbeitung.


Bild: ergeb33.jpg: Bleistift

Als Alternative bot ich den etwas langsamer arbeitenden Schülern nur eine Zerlegung der Musikinstrumente und Neu-Montage mit nachfühlender Bleistiftumrahmung an. Es entstand reinster bizarrer Punk.


Die Pop-Art mit Andy Warhol als Vertreter habe ich mit dem Zitat des seriellen Kunstwerks durchgenommen.


Bild: ergeb34.jpg: die aneinander gereihten Marylins, Gemeinschaftsarbeit, Filzschreiber


Bild: ergeb35.jpg: ebenso die Mona Lisas

(die Vorlage zur Strichzeichnung von Mona Lisa gibt es mit Copyright-Vermerk im Netz, es ist kein Copyright der VG Kunst Bonn)
http://www.enchantedlearning.com/artists/davinci/coloring/monalisa.shtml
Man beachte bitte die Geschäftsidee dahinter, vergleiche hierzu auch:
http://www.g19.asn-wien.ac.at/suko/infoscreen_03/BE_02_03.html

Andy Warhols "Brillo Boxes" habe ich mit einer selbst gestalteten Faltschachtel durchgenommen:


Bild: brillo.gif

Bild: brillo_x.jpg:
die noch nicht geklebten "Zitate" der Faltschachteln.

Unter Bildergoogle gibt es nur 12 Dateien hierzu, was die Marktgängigkeit dieses Teils der Kunstgeschichte etwas beleuchtet, zugleich aber auch die Produktivität Warhols und seine Vorausschau.
www.warhol.org/
http://www.warholstore.com/

lesenswert auch: http://www.lespress.de/082003/texte082003/zeitreise082003.html

Es gibt in diesem Zusammenhang einen Schwarzweißfilm aus Andy Warhols Factory, er wurde einmal spätabends gesendet und ist eigentlich wegen seines Trash-Charakters nicht jugendfrei.
Als Zeitgeist-Behauptung war das Arrangement von Brillo-Boxes sicher Kunst (ebenso wie das Pissoir von Marcel Duchamp), es ist unterrichtlich aber nur bedingt vermittelbar, weil die Jugendlichen mit der Kultur der aufgeschnittenen Verkaufskartons bereits aufwachsen..
Man vergleiche hierzu: Heinz Ohff, Galerie der neuen Künste.
(Ohff, Heinz, Galerie der neuen Künste: Pop, Happening, Hard-edge, Neo-Surrealismus, kritischer Realismus, Minimal Ars povera, Kinetik, Post-Painterly-Abstraction, Land-Art, Electronic-Art, Op, Project-Art, Process-Art, Fluxus; Revolution ohne Programm / Heinz Ohff. - Gütersloh; Berlin; München; Wien: Bertelsmann, 1971. - 312 S. : Ill.; (dt.) ISBN 3-570-05436-5

Man vergleiche neben dem Merchandising Warhols auch das von Friedensreich Hundertwasser.

Bild: lichten1.gif mit Vergrößerungsraster
Bild: lichten2.gif ohne Vergrößerungsraster
(Quelle: Wolf Unterrichtswerk)

Auszug aus Kindlers Malerei-Lexikon (Digitale Bibliothek Bd.22, nachbearbeitet:

Pop art (von engl. popular art = populäre, volkstümliche Kunst)
Kunstrichtung, die Zeichen, Symbolen und Signalen der Werbung, der Verkehrsregelung sowie der modernen Massenkommunikationsmedien ästhetische Werte zuerkennt und sich in ihren bildnerischen Mitteln und Motiven weitgehend an diesen orientiert.
Sie bezieht sich auf die Gesamtheit der Umwelt des modernen Großstadtbewohners (andere Bezeichnungen auch: Neo Dada, Neuer Realismus, Figurative Art, Junk Culture, New Vulgarism
Gestalterische Elemente sind verfremdete Wiedergaben von Zusammenstellungen maßstäblich veränderter populärer Konsumartikel, die im Siebdruckverfahren oder mittels der Fotografie wiedergeben werden und sie z.B. zusammenfügend oder aufgereiht darstellt.
Ungeachtet ihres zunächst eher affirmativen als gesellschaftskritischen Charakters (Andy Warhol: »Pop Art is liking things«) ist der ab Mitte der fünfziger Jahre in den von Jasper Johns und Robert Rauschenberg beeinflußten Arbeiten einer Gruppe New Yorker Maler deutlich werdenden und 1956 erstmals auch in London an den Exponaten der von der dortigen »Independent Group« veranstalteten Ausstellung »This is Tomorrow« ablesbaren Tendenz, gerade den banalen und vulgären Aspekten der modernen Konsumgesellschaft künstlerisch Rechnung zu tragen, über den einer ästhetischen Revolution gleichkommenden radikalen Wandel der Ikonographie hinaus gesellschaftliche Relevanz beizumessen.

Weitere Vertreter sind Lichtenstein, Larry Rivers, Robert Indiana, Claes Oldenburg, Tom Wesselmann, R.B. Kitaj, James Rosenquist und Jim Dines.
Gegenstände wie z.B. eine Odol-Mundwasserflasche oder eine Lucky-Strike-Zigarettenpackung werden als profane Objekte und in vorsätzlicher Banalität in feierlich, ja nahezu sakral anmutender Vereinsamung als Stilleben dargeboten.
Die Künstler H. P. Alvermann, Winfred Gaul, Gerhard Richter, Wolf Vostell und Konrad Klapheck gelten als die profiliertesten Vertreter westdeutscher Pop Art.


Auf dem unweigerlichen Weg in die Gegenwartskultur des Banalen mit der beliebigen Aneinanderreihung von Bildern, Fakten, Umständen, Situationen, Gegenständen, Tönen oder Mahlzeiten, verbindlichen Worten und anderen Sensationen habe ich mich auf das Handwerkliche und Machbare zurück besonnen- es ist messbar und nachvollziehbar.


Bild: schuh_3.jpg: die Rasenmäher-Schuhe als Vorlage im Unterricht.

Man begreift das bildnerische Schock-Element erst über den methodischen Umweg der Verhässlichung und akzeptiert es allgemein erst dann. Der im Unterricht ausgezogene fußwarme Schuh wird als unsittliche und heftige Provokation empfunden und ist nicht üblich, er wird als intimer Teil des lebenden Menschen betrachtet.
Einen ähnlichen Kunstgriff hat schon Rodin mit den "Bürgern von Calais" und "La Belle Heaulmiere" gemacht. Man suche auch:
http://www.unc.edu/~jwatt/freshman/Art_Sculpture_Index.html
http://home.t-online.de/home/salamander/rod.html

Die Ergebnisse:


Bild: schuh_4.jpg zwei schöne Beispiele

Bild: schuh_5.jpg sehr schön die grafisch umgesetzten Grau-Werte

Bild: schuh_6.jpg sehr gut und genau beobachtet und umgesetzt

Bild: schuh_7.jpg ebenso

Bild: schuh_8.jpg noch gut beobachtet

Bild: schuh_9.jpg das Logo ist etwas versteckt

Bild: schuh_10.jpg noch recht brauchbar

Beachtlich war für mich die ablesbare und wiedergegebene 3D-Form, die von einem Viertel der Schüler gut erreicht wurde. Ein mit Staub und Schmutz versehener gebrauchter eingelaufener Schuh mit Haken, Schnallen und Ösen eignet sich besser als ein glattes fabrikneues Modell mit Glanzleder - dies würde rein flächig wirken. Übrigens ersetzt das Markenlogo als aufgedrucktes Verkaufsargument keinesfalls die bildhafte Zeichendichte.
Beachtlich ist aber auch die Liberalisierung durch die Vielfalt. Die Warenwelt wird keinesfalls besser und klarer geordnet, wenn man sie mit Labels und Marken verstellt, sondern schwammiger und beliebiger.


Lehrplanzitate:
9.1 Neue Darstellungsformen erproben: Vom Abbild zur Abstraktion
Ausgehend von einer möglichst genauen Wiedergabe des Sichtbaren werden im Zeichnen und Malen nun Stufen des bildnerischen Abstrahierens erprobt. Übungen im zusammenfassenden Sehen und Darstellen führen die Schüler zu einer schrittweisen Reduzierung und Vereinfachung in Form und Farbe. In exemplarischen Werkbetrachtungen, welche die praktische Arbeit begleiten, sollen die Schüler entsprechende Stilmittel und Verfahrensweisen der modernen Kunst kennen lernen.
Gestalten:
Zeichnen / Malen von Pflanzen und Gegenständen
- Entwickeln einer Bildreihe in Schritten von der wirklichkeitsgetreuen Abbildung über zunehmend reduzierte Darstellungen zu abstrakten Zeichen (z.B. Bildsymbole, Piktogramme)

9.2 Empfindungen anschaulich machen: Stimmungsbilder
Musik und Sprache, Geräusche und Tasterlebnisse, aber auch abstrakte Begriffe können Empfindungen und Vorstellungen wecken und zu bildnerischen Entsprechungen anregen. In eigenen Bildkompositionen sollen die Schüler versuchen, auf nicht-visuelle Reize einfühlend zu reagieren und ihre Stimmungen oder Träume sichtbar zu machen. Dazu werden die Ausdruckswerte der Gestaltungsmittel bedacht

9.6 und auch Möglichkeiten symbolhafter Veranschaulichung erkundet. Die Arbeitsergebnisse und Kunstwerke regen zu Gesprächen an, in denen die Schüler ihre Empfindungen austauschen. KR 9.2.1, D 9.2.1, Mu 9.4.3
Gestalten:
Malen, Zeichnen
- freie Versuche, nicht-visuelle Reize in Formen, Farben und Bewegungsspuren umzusetzen
- Erfinden einer Bildkomposition zu "Stichworten" wie Frühling, Schweben, Trauer, Aggression, Harmonie; bewusstes Verwenden von Farbe und Form als Stimmungsträger

Betrachten:
Schülerergebnisse, Kunstwerke; Überprüfen der Wirkungen im Gespräch, z. B. nach
- dem Stimmungsgehalt
- den Ausdruckswerten von Farbe und Form
- ggf. der Bedeutung von Zeichen und Symbolen

KUNSTBETRACHTUNG
9.3 Künstler gehen neue Wege: Tendenzen der Gegenwart
Künstler haben nach dem 2. Weltkrieg eine Vielfalt neuer Ausdrucksformen entwickelt, mit denen sie die traditionellen Gattungsgrenzen der Malerei, Grafik und Plastik überschreiten. Auf neuen Wegen knüpfen sie Verbindungen zur darstellenden Kunst, zu Musik und Tanz, gestalten begehbare Räume mit farbigem Licht und Klängen, setzen sie Zeichen im öffentlichen Raum, verpacken Gebäude, zelebrieren sonderbare Rituale und inszenieren Ereignisse, mit denen sie die Zuschauer auf neue Weise ansprechen, sie provozieren, ihre Wahrnehmung erweitern, sie zur Stellungnahme auffordern oder als Mitwirkende einbeziehen wollen.
In der Begegnung mit ungewohnten Ausdrucksformen zeitgenössischen Kunstschaffens (z. B. Pop Art, Happening, Performance, Concept Art, Land Art, Installation, Kinetik) gewinnen die Schüler Einblick in die Absichten der Künstler und die Wirkung ihrer Arbeiten und sollen die Bereitschaft entwickeln, sich interessiert und offen mit dem Ungewohnten auseinander zu setzen.


Die Themenfelder überschneiden sich in 9.1, 9.2 und 9.3 etwas. Das thematische Sachfeld des Schuhs hat Warhol in seiner stilisierten Form gesetzt und uns begegnet es in seinen Ausformungen, es ist anschaulicher und lebendiger und man begreift die Auswüchse des Schuhmarktes bis hin zum Lifestyle. Es gibt in der Pop-Art keinen über die Sache hinweg weisenden Sinn, der Sinn ist nurmehr die Sache selbst.

Reinhard von Tümpling, 2004