Fantasy fürs Fenster

Einfache Techniken
zur Veranschaulichung
der gotischen Glasmalerei

Unterrichtseinheiten für die 7. Jgst

 

 

Gotische Glasmalerei - Farbiges Licht aus dem Jenseits

Betritt man einen gotischen Dom, so wird man von Dunkelheit und Kühle umgeben. Besonders an trüben Wintertagen scheint man dem Paradies, falls man es sich als sonnendurchfluteten Ort vorstellt, ferner zu sein denn je.
Schweifen die Blicke jedoch an die Seitenschiffe, so ergreift einem beim Anblick der bunten Glasfenster, die aus der Dunkelheit farbig glühen, ein Gefühl von wohliger Wärme. Eine ferne Welt aus farbigem Licht breitet sich aus, ein Paradies, man erkennt Jesus und andere Heiligenfiguren, dazu christliche Symbole, einbeschrieben in Dreipass, Vierpass mit zahlreichen Ornamenten verziert.
Die gotischen Glasfenster zeigen in ihrer Buntheit und Flächigkeit den Menschen in der christlichen Welt, sie zeigen eine Welt im Idealzustand, in der Zeit und Realität nicht zu gelten scheinen. Wie eingefroren wirken die Personen in ihrer ornamentalen Umgebung.
Gotische Kirchenfenster sind Durchbrüche, durch welche die jenseitige Welt in die dunklen Winkel des realen Kirchenraums dringt.

 

Lehrplanbezug

Dieses Unterrichtsprojekt lässt sich unter Punkt 7.2 (Bildende Kunst: Ein mittelalterliches Werk entsteht) einordnen. Indem die Schüler das Prinzip der gotischen Glasmalerei praktisch erproben, können sie auch eine emotional geprägten Zugang zu den Menschen der betreffenden Zeit gewinnen. Sie erleben die transzendentale Kraft der gotischen Glasmalerei nach, indem ihre eigenen Fantasiegeschichten wie gotische Glasmalerei erscheinen.

 

Fantasy fürs Fenster

Innerhalb dieser Unterrichtseinheiten stehen nicht die Präsentation längst bekannter Techniken im Vordergrund, sondern die Frage, wie man mithilfe einer einfachen (schülerfreundlichen) Technik der Ästhetik sowie der Technik der gotischen Glasfenster möglichst nahe kommen könnte.

Die Heiligendarstellungen bilden für die Schüler den Ausgangspunkt für Geschichten, die aus ihrem eigenen Interessensbereich stammen. Die religiösen Heiligengeschichten sollen den Anlass bieten, Figuren und Szenen aus der Fantasie entstehen zu lassen, wobei ihnen erlaubt war, sich an die religiöse Vorlage zu halten. Aus dem religiösen Themenkatalog suchte ich fünf Themen aus, die auch außerhalb des religiösen Kontext gelten: Gut und Böse, Paradies,Todeskampf, Friedensfest, Die Rettung der Welt

Schon nach kurzer Zeit entwickelten die Schüler Mischformen aus religiösen und altersgemäßen Fantasy-Geschichten , also Geschichten, die aus dem Bereich der Märchen und Bilderbüchern, aus Zeichentrickserien bzw. Comics stammen. Gemeinsam ist beiden Geschichte-Ebenen, dass religiöse Geschichten in gotischer Glasmalerei auf derselben farblichen Abstraktionsebene liegen wie beispielsweise Bilder aus einer Zeichentrickserien. Beide Ebenen leben sehr vom Prinzip Figur/Grund und von den farbigen Flächen. Beide Ebenen sind gleichermaßen plakativ. Insofern könnten die Heiligengeschichten auf gotischen Glasfenstern wie Comics gelesen werden.
 

Arbeitstechnik: Papiercollage (Beispiele)

Den Einstieg in diese Unterrichtseinheit bildete eine Projektion von gotischen Glasfenstern. Die Schüler entdeckten dort ihnen teilweise bekannte Heiligenfiguren innerhalb der dargestellten Heiligengeschichten, reichhaltige Ornamentfelder. Sehr bald fiel ihnen die Gliederung der einzelnen Flächen auf, als würden Bahnen von Lakritze (=Bleiruten) über die Bilder legen. Dabei kommt man automatisch auf die Glasfenstertechnik zu sprechen, die trotz ihrer Kompliziertheit bei den Schülern auf großes Interesse stieß. Bei der Technik ging ich vor allem auf das mosaikartige Zusammenfügen dieser Bruchgläser ein. Doch stellte sich für mich folgende Frage: Welche einfache Technik könnte die Verbindung der einzelnen Bruchgläser am besten schildern. Ich stieß auf das häufig verwendete farbige Laternen- oder Drachenpapier.
In der Technik der Papiercollage vollziehen die Schüler das Entstehungs- und Wirkungsprinzip nach, ohne die komplizierte Glasfenstertechnik beherrschen zu müssen. Statt farbiger Glasstücke verwenden die Schüler transparente Papierstücke, genauer gesagt: das buntes Laternen- oder Drachenpapier sowie farbige Blumenseide. Wie die Glasstücke setzen sie auch die Papierstücke mosaikartig aneinander, bis das Motiv entsteht. Vor allem die Übergänge bzw. die Überlagerungen der Papierstücke ergeben gegen das Licht betrachtet reizvolle Farbmischungen und Farbübergänge.
Der Nachteil an dieser Technik ist, dass das Prinzip der Bleiruten nicht zum Ausdruck kommt.
Das Bleirutenprinzip lässt sich aber mit einer anderen allzu bekannten Technik sehr gut anwenden: mit den sog. Window-Colors

 

 

 

 

 

 

 

Arbeitstechnik: Window-Color (Beispiele)

Eine andere Technik, die mehr mit der Ästhetik der gotischen Glasfenster korrespondiert, ist die Window Color - Technik.
Zunächst legt man seine Vorzeichnung unter eine Folie bzw. schiebt man bei entsprechender Größe die Zeichnung in die Glassichthülle. Dann zeichnet man mit einer sog. schwarzen Konturenfarbe die Linien der Umrisszeichnung nach. Die Konturenfarbe kommt der Ästhetik der schwarzen Bleiruten erstaunlich nahe. Wenn die Konturenfarbe nach ca. einer Viertel Stunde angetrocknet ist, kann man damit beginnen, die unterteilten Flächen mit Farbe auszufüllen. Hält man einen bereits fertigen Bildabschnitt gegen das Fenster, so entdeckt man, dass die Ästhetik der Window-Colors der gotischen Glasmalerei sehr nahe kommt, insbesondere wenn die noch feuchte Konturenfarbe schwärzliche Schlieren durch die leuchtende Farbfläche zieht. Der Nachteil dieser Technik ist jedoch, dass das Prinzip des Aneinanderfügens des gebrochenen Glases wenig zum Ausdruck kommt. Trotzdem überzeugt diese Technik sehr. Denn die Schüler empfinden vor allem im Ergebnis den Reiz und die Kraft eines transparenten farbigen Bildes nach, zumal die Window Colors leuchten wie bunte Kirchenfenster.

 

 

 
Christian Odato, 2005